Sommerliches Schloßgewitter
Russisch?«
»Ja.«
Hugo lockerte behutsam seinen Griff. Er sah entschlossen aus.
»Ich werde mal nachsehen.«
»Hugo! Bleib hier! Er wird dich umbringen.«
Sie stand starr da. Rings umher peitschte der Regen, aber sie achtete nicht darauf. Blitze zuckten, aber sie sah nicht hin. Während dieser Minute, die sich wie eine Stunde dehnte, lauschte sie angestrengt auf Geräusche des tödlichen Ringens. Dann erschienen die Umrisse einer Gestalt.
»Du, Millicent.«
»Hugo! Bist du unverletzt?«
»Ja, ich bin unverletzt. Du, Millicent, weißt du was?«
»Was denn?«
In der Dunkelheit vernahm sie ein unterdrücktes Lachen.
»Es ist das Schwein.«
»Es ist was?«
»Das Schwein.«
»Wer ist ein Schwein?«
»Das hier. Dein Freund hier drin. Es ist die Kaiserin von Blandings in voller Lebensgröße. Schau sie dir selber an.«
3
Millicent sah sie sich selber an. Sie ging zur Hüttentür und spähte vorsichtig hinein. Es war tatsächlich, wie er gesagt hatte: da stand die Kaiserin. Im schwachen Licht des Streichholzes, das Hugo in der Hand hielt, blinzelte das edle Tier sie mit seinen himmelblauen Augen an, so als wollte es fragen, ob sie vielleicht das Abendessen brächte, das jetzt genau zur rechten Zeit käme. Es war ein Anblick, der Lord Emsworth in helles Entzücken versetzt hätte. Millicent sperrte lediglich den Mund auf.
»Wie kommt die denn hier hinein?«
»Das werde ich schon herausbekommen«, sagte Hugo. »Aber es war ja anzunehmen, daß sie in irgendeinem Versteck gehalten wurde. Was ist das hier überhaupt?«
»Es war wohl einmal eine Jagdhütte.«
»Hier scheint noch ein Raum drüber zu sein«, sagte Hugo und zündete noch ein Streichholz an. »Ich gehe hinauf und lege mich auf die Lauer. Wahrscheinlich wird bald jemand kommen, um das Tier zu füttern, und dann sehe ich ja, wer es ist.«
»Ja, so machen wir’s. Das ist ein guter Gedanke.«
»Du nicht. Du gehst nach Hause.«
»Mitnichten.«
Es entstand eine Pause. Ein starker Mann hätte jetzt zweifellos seinen Willen durchgesetzt. Aber obwohl Hugo sich so gut fühlte wie schon seit Tagen nicht mehr, fühlte er sich so stark auch wieder nicht.
»Na schön.« Er schloß die Tür. »Also komm. Wir sollten uns beeilen. Der Kerl kann jede Sekunde da sein.«
Sie kraxelten die morsche Treppe hinauf und ließen sich behutsam auf dem Fußboden nieder, der nach Mäusen und Moder roch. Unten war alles finster, aber zwischen den Dielenbrettern waren Ritzen, durch die man lugen konnte, wenn die Zeit fürs Lugen gekommen war.
»Dieser Boden wird doch hoffentlich halten?« fragte sie ein wenig nervös.
»Ich denke schon. Wieso?«
»Na, ich will mir doch nicht das Genick brechen.«
»So, so? Aber ich würde mir am liebsten meins brechen«, sagte Hugo im Dunkeln. Ihm war gerade durch den Kopf gegangen, daß jetzt eine gute Gelegenheit wäre für ein paar offene Worte. »Wenn du glaubst, daß ich darauf brenne zu sehen, wie du mit Ronnie den Hochzeitswalzer drehst, dann bist du auf dem Holzweg. Du bist dir doch hoffentlich darüber im klaren, daß du mir verdammt nochmal das Herz gebrochen hast?«
»Ach, Hugo!« seufzte Millicent.
Dann schwiegen sie. Unten grunzte die Kaiserin. Neben ihnen raschelte etwas.
»Iiii!« schrie Millicent. »War das eine Ratte?«
»Hoffentlich.«
»Wa-as!«
»Ratten nagen an einem«, erläuterte Hugo. »Sie scharen sich um einen, nagen einen bis auf die Knochen ab und bereiten so dem Elend des Daseins ein Ende.«
Sie schwiegen wieder. Dann meldete Millicent sich zaghaft.
»Du bist gemein«, sagte sie.
Sogleich wurde Hugo von Reue ergriffen.
»Ja, du hast recht. Tut mir furchtbar leid. Aber weißt du … Ich meine, diese Verlobung mit Ronnie. Starkes Stück, findest du nicht? Du erwartest doch nicht, daß ich dreimal ›Hoch!‹ rufe, wie? Oder denkst du, ich führe einen Freudentanz auf?«
»Ich kann gar nicht glauben, daß es wahr ist.«
»Wie ist es denn überhaupt dazu gekommen?«
»Ganz plötzlich. Ich war gerade sehr unglücklich und böse auf dich und … und alles. Und da traf ich Ronnie, und wir machten einen Spaziergang hinunter zum See, und da warf er dann mit Steinchen nach den Schwänen, und auf einmal hat Ronnie vor sich hingebrummelt und gesagt ›Du!‹ und ich hab’ gesagt ›Na?‹ und da hat er gesagt ›Willst du mich heiraten?‹ und ich hab’ gesagt ›Von mir aus‹, und da hat er gesagt ›Aber ich warne dich, ich hasse alle Frauen‹, und ich hab’ gesagt« Und ich verabscheue die
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