Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
hatte. Seine Stärke verlieh auch ihnen Stärke; so einfach war das. Das war keine Lösung, die von Dauer sein konnte, doch so konnte er sie am Leben erhalten, bis eine bessere Lösung in Sicht war – eine andere als ein offener Krieg.
Er blies seinen Zigarettenrauch aus und sah zu, wie er sich in der Luft wand. Er vermisste die tote Königin, hasste Keenan dafür, dass er sie besiegt hatte, und fragte sich, womit Donia, die neue Winterkönigin, sich wohl ködern ließe – wie er sie dazu bewegen konnte, ebenso skrupellos zu werden wie ihre Vorgängerin. Das Bündnis zwischen Keenan und Donia hatte das Pendel zu sehr in Richtung Frieden ausschlagen lassen, und Frieden brachte dem Hof der Finsternis nur Nachteile. Doch Krieg konnte auch nicht die Antwort sein. Von Gewalt allein konnte der Hof der Finsternis nicht leben, genauso wie Angst oder Lust allein ebenfalls nicht ausreichen würden. Es ging um Ausgewogenheit, und an einem Hof, der sich von dunklen Gefühlen ernährte, war es von essenzieller Bedeutung, auf diese Ausgewogenheit zu achten.
Ein neuer Streit, der sich in der Mitte des Raums erhob, erregte seine Aufmerksamkeit. Gabriel knurrte so laut, dass die Wände wackelten, während er einem der Söldner seinen Stiefel so brutal ins Gesicht stieß, dass der Gestürzte einen weiteren Blutfleck auf dem Boden hinterlassen würde. Die Ly Ergs waren offenbar nicht so kooperativ, wie Gabriel sich das vorstellte. Sie genossen das Blutvergießen zu sehr und scharten sich jedes Mal um Bananach, um sie zu unterstützen, wenn sie eine Meuterei anzuzetteln versuchte.
Gabriel beobachtete hämisch grinsend, wie der Söldnerelf an seinen Tisch zurückkroch. Dann drehte er sich zu Irial um und verbeugte sich so tief, dass sein Gesicht den Boden berührte – vermutlich ebenso um sein Grinsen zu verbergen, wie um seinem König Respekt zu erweisen. »Sobald du dir deine Sterbliche geholt hast, werden wir dich begleiten und Angst und Verwirrung unter den Sterblichen stiften. Die Hunde unterstützen den Willen des Königs. Daran wird sich nichts ändern.« Gabriel sah nicht eigens zu Bananach und den anderen hin, die sich bereits zu ihr gesellt hatten; seine Botschaft war auch so unmissverständlich.
»Gewiss.« Irial drückte seine Zigarette aus und lächelte seinem treusten Gefährten zu. Die Hundselfen verfügten über wunderbare Fähigkeiten, wenn es darum ging, andere Elfen oder Sterbliche in Angst und Schrecken zu versetzen.
»Wir könnten auch ein bisschen Angst aus den Ungehorsamen in dieser Runde gewinnen …«, murmelte Gabriel, und schon ergriffen seine Hunde einige der Elfen, die zu den Meutereibestrebungen zuvor gelächelt hatten. »Der Hof der Finsternis sollte unserem König ein wenig Respekt erweisen.«
Die Elfen erhoben sich auf ihre Füße, Krallen, Hufe und Pfoten und verbeugten sich oder machten Hofknickse. Nur Bananach rührte sich nicht.
Gabriel sah sie an und grinste erneut. Heute Abend würde es keine offenen Einwände oder Diskussionen mehr geben. Er würde die Elfen auf Linie bringen und ihnen drohen, wenn sie sich weigerten, Irials Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. Und sie würden daraufhin einen geradezu perversen Gehorsam an den Tag legen. Zumindest vorerst. Bis Bananach ihre Bestrebungen mit mehr Nachdruck verfolgte.
Aber heute Abend nicht mehr – noch nicht.
»Heute Abend werden wir zum Gedenken an unsere gefallene Schwester ein Fest feiern.« Auf ein Handzeichen von Irial hin brachten Gabriels Hunde eine Schar verängstigter Elfen herein, die sie von den anderen Höfen hergetrieben hatten. Nur vom Hof des Lichts war niemand dabei, was nicht weiter verwunderlich war, da die Lichtelfen nur selten ihre Abgeschiedenheit verließen. Doch sowohl Winter- als auch Sommerelfen waren darunter.
Irial schloss ein zitterndes Sommermädchen in seine Arme. Die Weinreben, die sich auf ihrer Haut wanden, verwelkten unter seiner Berührung. Sie war so von Angst und Ekel erfüllt, dass er kurz in Erwägung zog, sie mit den anderen zu teilen, doch er war selbstsüchtig genug, sie ganz für sich behalten zu wollen. Keenans Lieblinge waren immer besondere Leckerbissen. Wenn Irial nur vorsichtig genug vorging, konnte er aus ihnen genügend Begierde und Angst ziehen, um sich für mehrere Tage zu sättigen. Einige Male war es ihm gelungen, sie so süchtig zu machen, dass sie freiwillig zu regelmäßigen Besuchen in seine Arme zurückkehrten – und ihn dafür hassten, dass er sie zwang, ihren König zu
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