Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
betrachten. »Wie geht’s denn den kleinen Hündchen?«
»Die machen nur Ärger.«
»Ich hab’s ja gesagt. Das liegt ihnen im Blut.« Irial zog das Buch hervor, das er mitgebracht hatte. »Gabriel lässt übrigens seine besten Grüße ausrichten.«
»Steckt in dem überhaupt irgendwas Gutes? Dann wäre es schön gewesen, wenn sie es geerbt hätten.« Rabbit nahm das Buch und schlug es genauso gierig auf wie beim ersten Mal, als Irial ihm Bilder von den eher einsiedlerischen Elfen mitgebracht hatte. Diese Symbole und Skizzen bildeten den Grundstock für zukünftige Tattoos, die Sterbliche an den Hof der Finsternis ketten würden. Rabbit konnte sie auf eine Art nachbilden, zu der Elfen nicht imstande waren, würde ihre Makel ebenso wie ihre Schönheit einfangen, bis sie auf dem Blatt förmlich pulsierten. Und dann würde er die Sterblichen aussuchen, die sie tragen konnten. Das war eine gefährliche Kunst – und keiner von ihnen sprach viel darüber.
Ani und Tish kamen in den Raum gepoltert und kreischten auf ihre ewig überdrehte Art: »Iri!«
»Wie geht es Dad?«
»Hat er dir irgendwas mitgegeben? Er war hier.«
»Er hat Leslie getroffen.«
»Rabbit will mich nicht mehr tanzen gehen lassen.«
»Hast du die neuen Königinnen gesehen? Die eine kennen wir, die Sommerkönigin.«
»Wir kennen sie nicht. Wir haben sie mal getroffen. Das ist ein Unterschied.«
»Ist es nicht.«
»Lasst Irial auch mal zu Wort kommen«, mahnte Rabbit seufzend. Auch wenn er sie ein bisschen böse ansah, wachte er mit einer Liebe über die Mädchen, die ihr eigener Vater nicht für sie aufgebracht hätte. Halblinge waren zu schwach, um am Hof der Finsternis zu leben, zu sterblich. Doch der Hof des Lichts hätte ihren Willen gebrochen – ihre natürlichen Leidenschaften mit unnatürlichen Verboten an ihrer Entfaltung gehindert. Sorchas Hof nahm alle Sterblichen, die mit der Sehergabe ausgestattet waren, und alle Halblinge in seine Reihen auf, aber der Hof der Finsternis versuchte stets, seine eigene sterbliche Nachkommenschaft vor diesem strengen Regiment zu bewahren. Rabbit hatte Irial dies vergolten, indem er sich auch um andere Halblinge kümmerte, die er ihm brachte.
»Hier sind ein paar Kleinigkeiten von den Hunden für euch.« Irial hielt eine Tasche hoch. »Und eine aus Jennys Sippe hat mir die Klamotten mitgegeben, die ihr haben wolltet.«
Die Mädchen schnappten sich die Tasche und sprinteten davon.
»Anstrengende Biester.« Rabbit rieb sich das Gesicht und rief dann laut: »Keine Club-Besuche heute Abend, habt ihr gehört?«
»Versprochen!«, rief Tish von hinten.
Ani raste wieder in den Raum und kam breit grinsend gerade noch vor Irial zum Stehen. »Wie fandest du eigentlich Leslie? Ich wette, sie gefiel dir. Sie ist total scharf.« Sie redete wie ein Wasserfall und streckte Rabbit die Zunge raus. »Dann dürfen wir aber morgen ausgehen, versprochen?«
Als Rabbit hilflos die Arme hob, schlug Irial spontan vor: »Ich nehme sie mit.«
Rabbit scheuchte Ani mit einer Handbewegung aus dem Raum. Dann drehte er das Schild an der Ladentür auf GESCHLOSSEN. »So, jetzt lass uns mal probieren, ob wir das hinkriegen.«
Das Zimmer sah genauso aus wie immer, makellos und unverändert. Rabbit war ein bisschen gealtert, zwar nicht so schnell wie ein Sterblicher, aber er sah nun eher wie Anfang zwanzig aus und nicht mehr wie ein Teenager.
Rabbit zeigte auf den schwarzen Sessel, in dem seine Kunden immer Platz nahmen. »Geht es dir auch gut?«
Irial drückte Rabbits Unterarm und gestand: »Ich bin müde.«
Nachdem er Rabbit die Stricke überreicht hatte, die Gabriel ihm extra mitgegeben hatte, setzte Irial sich auf den Sessel und streckte die Beine aus.
»Ich hab das mit Guin gehört.« Rabbit kramte drei Nadeln und ebenso viele Fläschchen hervor.
»Gabriel lässt jetzt die Hunde Patrouille gehen; sie glauben, dass sie immer noch immun sind. Aber die Vampirelfen müssen in Deckung bleiben.« Irial lehnte sich zurück und schloss die Augen, während Rabbit ihn mit den Stricken an den Sessel fesselte. Mit Rabbit konnte Irial ganz offen sprechen. In einer Welt voller Hinterlist und Betrug gab es nur wenige Leute, denen Irial ohne Vorbehalt trauen konnte. Rabbit hatte die gesamte Loyalität seines Vaters geerbt, aber auch die Eigenschaft der Sterblichen, alles gut zu durchdenken und lieber zu reden, als gleich zuzuschlagen.
»Ich glaube, der Tintentausch wird dir helfen.« Rabbit krempelte Irials Hemdsärmel auf. »Es wird
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