Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
zuzuhalten, noch ehe sie die nächste Silbe aussprechen konnte. »Nenne niemals mehr ihren Namen oder den von der anderen. Aus Gründen der Sicherheit. Hast du verstanden?«
Ani nickte und er ließ sie los.
»Warum?« Sie wühlte weiter in ihrer Tasche herum, als sei nichts passiert. Für eine Tochter der Hundselfen war das vielleicht normal.
»Nicht nur Hunde hören gut. Wir wurden bereits einmal gefunden. Sie werden ihr davon berichten, und es gibt auch andere, die das wollen, was sie will.«
»Welche von ihnen?«
»Beide haben ihre Anhängerschaft. Und ich würde heute Nacht lieber niemanden töten. Ich hätte vielleicht Lust auf ein Kämpfchen, aber …« Er sah zu den verschlossenen Vorhängen, dann zurück zu ihr.
»Ich auch.« Sie lächelte ihn an, als wäre er etwas ganz Besonderes.
Es machte ihn nervös, wenn ihn jemand mit solcher Intensität ansah. Devlin zwang sich, ihr in die Augen zu schauen. »Ich beschütze dich, so gut ich kann.«
»Und?«
»Nichts und.« Devlin schloss die Tür ab. Das hielt Elfen zwar nicht auf, aber es würde wenigstens dafür sorgen, dass keine Sterblichen hereinspaziert kamen. »Wenn du noch mal in die Nähe meiner Schwester kommst, ohne ihre Befehle zu befolgen, wirst du durch ihre Hand sterben. Und wenn du die Anweisungen dieser Schwester befolgst, wirst du auf Befehl der anderen Schwester sterben. Ich werde derjenige sein, dem befohlen wird, dich zu töten … aber aus irgendeinem Grund missfällt mir die Vorstellung, du könntest sterben.« Er hielt Abstand, blieb an der Tür stehen, außerhalb ihrer Reichweite.
So bleibt auch sie außerhalb meiner Reichweite.
Sie nahm Kleider zum Wechseln und eine Haarbürste aus ihrer Tasche. »Wäre es nicht logischer, wenn du die Sache hinter dich bringst und mich einfach tötest? Du weißt, dass sie beide sauer auf dich sein werden, und irgendwie glaube ich nicht, dass sie viel von Vergeben und Vergessen halten. Du könntest ins Elfenreich zurückgehen und alles würde weiterlaufen wie bisher …«
»Nein. Das will ich nicht. Ich will nicht, dass dir etwas geschieht. Und ich will nicht zurück.« Er stockte und schüttelte den Kopf, als ihm klar wurde, was er da gerade gesagt hatte. »Ich möchte nicht …«
»Was?«
Aber Devlin konnte nicht antworten. Er starrte sie an.
Sie ging schweigend ins Bad und schloss die Tür hinter sich.
Könnte ich zurückgehen? Könnte ich ihr etwas antun? Warum ist sie wichtig? Rae kannte die Antworten; sie hatte ihn so oft gedrängt, Ani aufzusuchen, dass er sich nun sicher war, dass sie etwas wusste. Er hatte nur keine Ahnung, was das sein könnte – oder warum sie ihm den Grund nicht nannte.
Als Ani zurückkam, stellte sie ihre Tasche auf der von ihm abgewandten Seite des Bettes auf den Boden, sagte aber nichts. Stattdessen blieb sie dort stehen, drehte ihm den Rücken zu und streckte ihren Körper, um ihre Muskeln zu dehnen. Dabei hob sich ihr Shirt und entblößte ihre Taille.
Devlin starrte auf die nackte Haut.
Ich kann sie nicht für mich behalten.
Aber er wollte es so gern – zum ersten Mal in aller Ewigkeit betrachtete er eine andere Elfe und dachte über eine Beziehung nach, über die Zukunft, darüber, an ihrer Seite zu kämpfen. Hundselfen neigen nicht dazu, feste Beziehungen einzugehen. Er musste sich diese Tatsache bewusst machen – als ob sie irgendwie eine größere Bedeutung hatte als die Bedrohung von Anis Leben durch seine Schwestern.
Sie setzte ihre Dehnübungen noch eine Weile fort, dann baute sie sich – die Hände erneut in die Hüften gestemmt – vor ihm auf. »Denkst du mal wieder angestrengt nach oder hast du vor irgendwas zu sagen?« Der Ausdruck in ihren Augen war verräterisch: Sie hatte Angst, war müde und hungrig. Ihre Reaktion war wie die der meisten Dunkelelfen, wenn ihre Kräfte schwanden: Sie gingen zu irrationalen Attacken über.
Devlin nahm ihre Hände. »Ich habe ein anderes Zeitgefühl als du. Wenn ich länger stumm bleibe, als es dir angenehm ist, rede einfach mit mir. Ich war noch nie an einem Ort, wo regelmäßige Konversation von mir verlangt wurde.«
»Das ist doch …« Sie wollte offensichtlich etwas Feindseliges erwidern, stockte dann jedoch und starrte stattdessen auf seine Hände, die ihre hielten. Ihre Schultern entspannten sich ein wenig.
Und plötzlich begriff er, dass er nicht nur nichts gesagt, sondern sie auch kein einziges Mal angefasst hatte. Vier Tage lang hatte Ani nicht mal eine flüchtige Berührung
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