Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
geht.«
Nialls Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. »Wie es scheint, bin ich etwas unausgeglichen .«
»Es tut mir leid, dass es dir nicht gut geht. Ich hätte nie gedacht, dass du so sein könntest, so …« Keenan fiel keine höfliche Formulierung ein. Herzlos? Grausam? Kaputt?
Niall schwieg eine Weile. Schließlich stand er auf und stolzierte um Keenan herum. »Geh und erzähl deiner Königin von meinem Plan. Ich werde meinem Haustier nichts tun, und sie kann ihn besuchen, aber er gehört jetzt zu meinem Hof. Ob sie ihn sehen darf oder nicht, liegt in meinem Ermessen, und meine Zustimmung hängt davon ab, ob ihr Hof mich bei meiner Aufgabe unterstützt. Ich will Bananach stoppen.«
Aufgabe? Die Kriegselfe zu bekämpfen, war keine »Aufgabe«. Es war ein Konflikt, der in der ganzen sterblichen Welt seinen Widerhall finden würde.
»Wir wollen sie auch stoppen, aber das ist nicht der richtige Weg. Wir können darüber reden, rational an die Sache herangehen. Du, ich, Donia … Der Sommerhof ist nicht so stark wie der Winter, aber ich habe Verbündete«, bat Keenan. »Wir wollen alle das Gleiche. Keiner von uns hat jemandem den Krieg erklärt. Aber sie braucht eine Kriegserklärung, um die Art von Gewalt zu entfesseln, die sie haben will. Wenn wir alle zusammenhalten, werden die gültigen Regeln sie daran hindern, ihre Sache voranzutreiben.«
Der Blick, mit dem Niall ihn bedachte, war jetzt ebenso unheimlich wie der seines Vorgängers. »Das bezweifle ich ernsthaft.«
»Du trauerst, aber du denkst doch wohl nicht …«
»Kleiner König«, unterbrach Niall ihn. »Hältst du es etwa für klug, meine Autorität anzuzweifeln? Dir ist doch nicht etwa entfallen, wozu der Hof der Finsternis fähig ist. Oder hast du vergessen, was der König der Dunkelelfen dir angetan hat? Hast du den Fluch vergessen, der deine Macht jahrhundertelang beschnitten hat? Soll ich mal sehen, ob ich ihn erneuern kann?«
Nur seine freundschaftlichen Gefühle für Niall hielten Keenan davon ab, der Wut freien Lauf zu lassen, die ihn bei dieser Anspielung auf die Vergangenheit erfüllte. So ruhig wie möglich fragte er: »Und wenn Ashlyn deine Bedingungen nicht gefallen?«
Niall zog die Augen zu Schlitzen zusammen. »Mein Hof ist zu stark, als dass sie ihn angreifen könnte. Das weißt du genau.«
Keenan nickte widerwillig. »Ja, ich weiß.«
»Und es gibt noch einen Hof, einen, dessen Gunst ich mit ziemlicher Sicherheit gewinnen kann.« Niall ließ die Schatten im Raum zum Leben erwachen. Die dunklen Gestalten tanzten und krümmten sich, wie es kein fester Körper vermocht hätte. »Mein Hof hat dem Winterhof über lange Zeit so einige Gefallen getan – die Details würden dich bestimmt ekeln, kleiner König. Der letzten Winterkönigin mit Lust zu begegnen, war zwar nicht leicht für mich, aber ein Regent tut, was er tun muss, wenn es um das Wohl seines Hofs geht … Was die Wünsche der neuen Königin betrifft, bin ich weitaus offener, um ehrlich zu sein.«
Keenan konnte sich nur knapp im Zaum halten; seine Haut leuchtete trotz all seiner Bemühungen um Zurückhaltung auf, aber er zwang sich, ruhig zu bleiben: »Denk mal darüber nach, was du hier eigentlich treibst. Wir sind keine Feinde. Aber wenn du Donia etwas tust …«
»So wie du es getan hast?«
»Du sperrst deinen Freund in einen Käfig, drohst mit völlig verrückten Dingen … denk doch mal einen Moment nach.« Keenan schüttelte den Kopf. »Jahrhundertelang haben wir zusammen alle Schwierigkeiten durchgestanden. Ich kann dir helfen, auch ohne dass du grausam zu Seth bist oder meinen Hof bedrohst. Bitte denk nach.«
»Ich werde das tun, was ich jahrhundertelang getan habe, kleiner König. Ich werde meinen Hof und die, die ich liebe, beschützen.« Niall ging auf Keenan zu. »Sobald Bananach tot ist, können wir verhandeln. Bis dahin …« Er zuckte mit den Schultern.
Keenan packte Nialls Arm. »Ich werde dir helfen, weil du mein Freund bist. Mag sein, dass du mir noch nicht vergeben hast, aber du weißt, wie das geht – sonst würde dich sein Tod nicht so wahnsinnig schmerzen. Ich werde mit meiner Königin reden und mit Donia.«
Der König der Finsternis runzelte die Stirn.
»Das hier«, Keenan zeigte auf Seth und dann auf Nialls geschundenen Körper, »bist nicht du, Niall.«
»Ach, tatsächlich?«, stichelte der König der Finsternis. »Wer denn dann? Für wen genau hältst du mich denn, wenn nicht für Niall?«
Keenan schwieg einen Moment
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