Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
Schweigen machte Worte auch unnötig.
»Ash weist mich zurück«, sagte Keenan.
»Weil du einen Rückzieher gemacht hast, als sich eine Chance bot.« Tavish schüttelte den Kopf. »Mag ja sein, dass sie dir deine Ausreden abnimmt, aber ich kenne dich seit deiner Geburt. Du hast dich bewusst zurückgehalten. Und das mehr als einmal. «
»Sie braucht Zeit«, protestierte Keenan.
»Nein. Als Seth noch sterblich war, brauchte sie Zeit, aber jetzt ist er nicht mehr sterblich. Seth konnte all ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, weil du monatelang weggeblieben bist. Selbst gestern Abend hast du sie nicht gedrängt. Wenn du es wolltest, würde die Königin dir in jeder Hinsicht gehören. Stattdessen hast du ihr mehrfach Gelegenheit geboten, dich zurückzuweisen. Als Berater und Freund sage ich dir, dass die Zeit der Ausflüchte nun vorbei ist. Dein Vater war zu stur, um auf mich zu hören, wenn es um deine Mutter ging. Sei klüger als er.«
»Beira hat ihn reinge…«
»Nein, hat sie nicht«, hielt Tavish dagegen. »Er wusste, was sie war, wusste, dass sie Zweifel an ihm hegte, und trotzdem hat er immer weiter versucht, sie wie eine Sommerelfe zu behandeln. Ashlyn würde das Bett mit dir teilen. Das weiß der Hof, und du weißt es auch. Selbst jetzt, wo Seth zu ihr zurückgekehrt ist, könntest du sie verführen. Sogar Seth weiß das. Aber er liebt sie trotzdem.«
»Verstehe, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Sobald sie erfährt, dass Seth gefangen ist, wird sie sich Sorgen machen und … es wäre nicht richtig.« Keenan hörte die Widersprüche in seinen Worten, wusste, dass er nicht überzeugend klang. Früher hätte er alles getan, um die vorbestimmte Königin für sich zu gewinnen. Er hatte Dinge gesagt und getan, für die er sich nachher innerlich gewunden hatte.
Jetzt ist es anders. Ich kenne Ash. Ich respektiere sie.
Tavish sah Keenan unverwandt an und fragte: »Wie würdest du es aufnehmen, wenn Donia sich einen Liebhaber nähme?«
» Tut sie aber nicht«, giftete Keenan. »Sie ist nicht wie die Sommerelfen.«
»Du bist nicht nur Sommer, mein König«, erinnerte Tavish ihn. »Du hast mehr von deiner Mutter in dir, als du zugeben magst. Du kannst mir nicht in die Augen sehen und sagen, dass du wirklich alles versucht hast, um deine Königin zu verführen, dass du alles in deiner Macht Stehende tust, um diesen Hof zu stärken. Oder?«
»Ich hatte nie etwas gegen die Freuden des Sommers einzuwenden. Die Sommermädchen … und die Lustbarkeiten …« Keenan blieben die Worte im Halse stecken, als er die gequälte Miene seines Freundes sah. »Wenn Ashlyn mich akzeptieren würde, würde ich auch jetzt das Bett mit ihr teilen, obwohl sie diesen Sterb… Seth liebt.«
»Du würdest, aber du hast es nicht. Du hast sie zurückgewiesen, als sie sich dir angeboten hat; und du hast sie auch nicht verführt, als er monatelang weg war. Sie wollte dich, will dich immer noch, aber du nimmst sie nicht mit in dein Bett.« Tavish faltete die Hände im Schoß und schaute seinen König an. »Du hast die Sommermädchen nicht genug geliebt, als dass es dir etwas ausgemacht hätte, sie zu teilen. Und die Königin liebst du auch nicht genug. Es ist nicht ihre Verbindung zu Seth, die dich abhält. Seit du die vorletzte Sonnenwende mit Donia verbracht hast, hast du keine …«
»Ich habe mein ganzes Leben der Aufgabe gewidmet, dass dieser Hof wieder so stark werden konnte, wie er jetzt ist«, unterbrach Keenan ihn.
»Ich weiß.« Tavish legte eine Hand auf Keenans Schulter.
Der Sommerkönig schaute den Elfen an, der für ihn seit jeher so etwas wie eine Vaterfigur war, und wusste, dass es zwecklos war, weitere Einwände vorzubringen. Tavish kannte ihn, durchschaute die Illusionen, denen Keenan sich allzu gerne hingab. Keenan hatte Ashlyn tatsächlich nicht so hartnäckig umworben, wie es ihm möglich gewesen wäre. Er hatte sich nur so lange um sie bemüht, bis sie die Herausforderung annahm, Königin zu werden, doch danach hatte er in Donias Armen Zuflucht gesucht und Ashlyns Vorbehalte akzeptiert, ja, ihnen sogar immer wieder neue Nahrung gegeben.
»Versuch nicht, einem von uns etwas vorzumachen, mein König. Du hast alles getan, was nötig war. Du hast immer alles für den Hof gegeben. Du bist alles geworden, was du musstest, um die Erbschaft deines Vaters anzutreten. Aber die Nacht mit der Elfe, die du liebst, hat dich verändert. Ich kann es sehen, auch wenn die meisten am Hof das nicht tun.« Tavish
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