Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
Keenan. »Ich brauche alles oder nichts. Entweder wir sind richtig zusammen oder gar nicht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ist das dein Ernst? Du bittest mich, mich hier und jetzt zu entscheiden?«
»Ja, das ist mein Ernst.« Er streckte den Arm nach ihr aus, berührte sie aber nicht; stattdessen ließ er seine Hand neben ihrem Gesicht in der Luft verharren. »Ich brauche deine Entscheidung. Jetzt. Der Hof muss so stark wie möglich sein.«
»Was auch immer du erfahren hast … Rede mit mir«, bat sie ihn. »Vielleicht gibt es einen anderen Weg, vielleicht …«
»Ashlyn«, sagte er ruhig. »Ich brauche eine Entscheidung von dir. Gehen wir zusammen weg oder gehe ich allein?«
Ihr liefen warme Tränen übers Gesicht. »Gestern hast du noch gesagt, ich hätte eine Woche Zeit. Gestern. «
»Fiele deine Antwort denn anders aus, wenn wir warten würden?«
Ashlyn hasste seinen verständnisvollen Ton ebenso sehr, wie sie ihn an Seth hasste. Sie waren beide großartig, beide gut, beides Personen, die zu kennen sich jedes Mädchen glücklich schätzen würde – doch sie liebte nur einen von ihnen. Wenn sie den Hof retten und Seth in ihrem Leben behalten könnte, würde sie genau das tun. Wenn Keenan nicht da war, verspürte sie auch nicht das Bedürfnis, ihm nah zu sein. Die ganzen letzten sechs Monate hatte sie es kaum einmal verspürt, im Gegensatz zu der Zeit, als Seth weg gewesen war.
»Wäre dir das denn lieber?«, fragte sie zurück.
»Ich möchte geliebt werden; und ich möchte bedingungslos lieben.« Keenan fuhr mit den Fingerspitzen sanft an ihrem Wangenknochen entlang. »Ich liebe Donia seit Jahrzehnten, aber für meinen Hof lebe ich schon seit Hunderten von Jahren. Diesmal brauche ich mehr als ein ›Ich glaube‹, Ashlyn. Willst du mich genug, um ganz mein zu sein? Bin ich dir so wichtig, dass du versuchen wirst, mich zu lieben? Werden wir zum Wohl unseres Hofs wahrhaft zusammen sein? Nimm mich als deinen König oder gib mich frei, damit ich versuchen kann, mit der Elfe zusammen zu sein, die ich liebe.«
»Ich möchte dich schon«, gestand Ashlyn. »Und nicht nur wegen des Hofs. Du bist mein Freund und … ich habe dich gern. Ich kann mir nicht vorstellen, dich nie mehr wiederzusehen.«
Der Sommerkönig strich ihr mit dem Daumen über die Wange. »Kannst du mir versprechen, dass du mir treu sein wirst? Schenkst du mir für alle Ewigkeit dein Herz, deinen Körper und deine Freundschaft? Möchtest du, dass ich dir treu bin? Liebe mich oder küss mich zum Abschied, meine Sommerkönigin.«
Wieder rannen Tränen über ihre Wangen. Er hatte sie fast ein Jahrtausend gesucht, doch sie konnte ihm nicht geben, was er brauchte. Sie hatte ihrem Hof seine Kraft zurückgegeben, doch die Liebe, die sie dem Sommerhof gegenüber empfand, war nicht die Art von Liebe, die er von ihr erwartete. Sie lehnte sich an ihn. »Warum habe ich nur das Gefühl, dass ich auf das, was jetzt kommt …«
»Ja?«, fragte er leise.
»Nicht vorbereitet bin«, beendete sie den Satz.
Die Ängste, die sie früher schon gehabt hatte, wenn sie den Hof ohne ihn regieren musste, brachen erneut über sie herein. Er war seit Jahrhunderten König, während sie erst etwas mehr als ein Jahr eine Elfe war. Wie sollen wir denn von unterschiedlichen Orten aus regieren? Sollen wir den Hof teilen? Können wir das überhaupt? Sie biss sich auf die Lippen.
»Wieso glaubst du, dass wir den Hof auf diese Weise stärken? Ich bin nicht sicher, ob …«
»Ash«, unterbrach er sie. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, nahm er ihre Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. »Sag mir, dass du wahrhaftig mir gehörst, oder lass mich gehen.«
»Und du gehst wirklich für immer, wenn ich Nein sage?«
Er nickte stumm.
»Ich kann nicht nur dir gehören. Du wirst immer …«
Ihre restlichen Worte wurden erstickt, da der Sommerkönig sich vorbeugte und ihre Lippen mit seinen versiegelte. Sonnenlicht füllte ihren Mund. Es bedeckte ihre Haut und rieselte über ihren Körper wie eine Million winzige Hände. Ihre Augen waren offen. Die gleißende Helligkeit des an sie gedrückten Sommerkönigs war zu schön, um wegzuschauen.
Er löste sich kurz von ihr, und da merkte sie, dass sie den Boden nicht mehr berührten. Die Luft brannte und knisterte vor Wetterleuchten.
»Bist du sicher?«, fragte er.
»Ja, das bin ich.« Sie hatte nicht darum gebeten, eine Elfe zu werden, hatte die Zukunft, die vor ihr lag, nicht gewollt, aber nun liebte sie sie. Sie war
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