Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
den hintersten Sitzen im Saal aufbockte; zuletzt war der ganz schön in die Jahre gekommen, stotterte wie ein verreckender Traktor, so laut, dass er die leiseren Szenen auf der Leinwand übertönte, immer gab es Probleme mit dem Scharfstellen und sämtliche Farben liefen verwaschen ineinander. Geir starb während einer umwerfend komischen Komödie, wir wieherten uns kaputt. Lachen ist gesund, ein herzliches Lachen ist so etwas wie die Synthese aus Glück und Selbstvergessenheit, wir lösen uns in ihm auf, schweben über der eigenen Persönlichkeit und werden mehr zu einem Menschen als zu einer Person. Leider wissen wir nicht mehr, wie der Film hieß, aber es war noch vor der Pause, und nach einigen prächtigen Lachsalven im Publikum begannen sich die, die dem Projektor am nächsten saßen, zu wundern, wie still und ernst Geir blieb, er hatte doch so große Ambitionen mit seinen Filmen und lachte mit kindlicher Freude, wenn die Zuschauer ihren Spaß hatten. Heiöa, die bei uns den Vertrieb und Lizenzen für alles Mögliche hatte, von den Tageszeitungen über eine Versicherungsagentur bis zum Lotto, beugte sich zu Geir hinüber, stieß ihn an und flüsterte halblaut, was ist, Mann, du bist doch nicht etwa tot? Genau das aber war Geir, mausetot neben seinem Projektor, und deswegen konnte er auch nicht mehr mitlachen. Seitdem passt Heiöa auf, was sie sagt.
Es verstand sich von selbst, dass Kiddi den Job übernehmen musste, unser Filmstar, und außerdem hatte er dem Alten seit Jahren assistiert. Er fing damit an, dass er einen neuen Projektor kaufte, meinte, Geir hätte viel zu lange an dem alten gehangen; außerdem begann er eben bald damit, seine eigenen Programmheftchen herauszugeben, in denen er uns seine Überlegungen mitteilen konnte, seine Ansichten und Meinungen über den betreffenden Film; schnell wurde er richtig gut in der Wiedergabe des Inhalts. Seine besten Zusammenfassungen sind fast so etwas wie gute Kurzgeschichten. Seine Frau Steinunn schmückt die Programme mit hübschen Zeichnungen, die wirklich oder vermeintlich etwas mit dem Film zu tun haben. Sie und Kiddi haben sich bei einer der letzten Filmvorführungen Geirs kennengelernt. Sie war gerade als neue Lehrerin aus Reykjavik in den Ort gekommen, war klein und zierlich, schmuddelblond, und hatte einen auffallend weichen Gang. Ihre Kleidung erregte Aufsehen, sündhaft teure Modelabels, meinten die, die sich auskannten. In die Vorführung kam sie in hellblauen Jeans, auf dem rechten Bein war eine 6 aufgestickt, auf dem linken eine 8. Kiddi hatte ein Fläschchen bei sich – sich gelegentlich einen zu genehmigen, gehörte zu den Vorstellungen, manche allerdings geben sich richtig die Kante und kotzen hinterher ins Klo. Kiddi ist nie der schüchterne Typ gewesen, er war ein weit herumgekommener Mann, Filmschauspieler und so, und während wir uns noch verlegen herumdrückten, ging er direkt auf die neue Lehrerin zu, fragte sie: wie gefällt’s dir denn hier so in der totalen Einöde, und bot ihr die Flasche an, Cognac. Sie nahm vorsichtig ein Schlückchen, Kiddi grinste, und der Film fing an. In der Pause nahm sie wieder einen Schluck, sie quatschten zusammen, und Kiddi starrte immer auf ihre Beine, auf denen die 6 und die 8 aufgestickt waren. Was ist denn?, fragte sie ein wenig verunsichert, weil er immerzu nur darauf starrte. Da hob er den Kopf, guckte ihr geradewegs in die Augen und fragte: Darf ich die Nummer 7 sein?
Eine solche Frage ist entweder ein Volltreffer oder voll daneben, Kuss oder Ohrfeige. Den zweiten Teil des Films haben sie verpasst. Du hast einen Spiegel über dem Bett, meinte sie. Magst du das nicht? Doch, ich hätte am liebsten rundum welche.
Neun
So war das, aber niemandem fällt es ein, sich während der Vorträge des Astronomen abzufüllen, dabei wäre es durchaus angebracht, angesichts der Urkräfte in seinem Mund die Sinne ein wenig zu betäuben, bei all diesen schwarzen Löchern, die irgendwo im All lauern wie teuflische Spinnen und alles verschlucken, was ihnen nahe kommt, Meteoriten, Kometen, Monde, Planeten, Sonnen, alles verschwindet in dem unersättlichen schwarzen Nichts.
Schwarze Löcher sind gestorbene Sonnen, sagte der Astronom, und das steht auch in den Heftchen, die Elisabet sechsmal pro Jahr herausgibt und die Auszüge aus seinen Vorträgen enthalten. In einem berichtet er von Johannes Kepler, auf den wir große Stücke halten. Seine Mutter wurde wegen Hexerei angeklagt, sie verdrosch Männer mit einem nassen
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