Sommerliebe
Ungunsten Fünfzigmarkscheine mit Zwanzigmarkscheinen verwechselten, ermahnte häufig dazu, nicht so laut zu sein, und öffnete erst gegen sieben Uhr früh wieder kurz, aber weit die Tür, um seine Schäfchen, die geschoren worden waren, rasch ins Freie zu entlassen.
Das Excelsior war eine Stätte, in der jeder Kurgast zeigen konnte, was bei ihm stärker ausgebildet war – das Gehirn oder die Gurgel. Zwischen acht Uhr abends und zwei Uhr früh trug eine ausgezeichnete kleine Tanzkapelle zum Vergnügen der Gäste bei. Auf einem Podest duckte sich ein ausgestopfter Tiger zum Sprung, immer wieder die Frage solcher Leute, die zum Grübeln neigten, nährend, welche Bedeutung einem Dekorationsstück dieser Art hier beizumessen sei. Manchmal hatte das auf seiten der Geschäftsführung sogar schon zu Erwägungen geführt, die Bar in ›Dschungel-Bar‹ umzutaufen, aber da mit einer Entscheidung für diesen Namen im Vergleich zu ›Excelsior‹ automatisch ein beträchtliches Stück Vornehmheit hätte drangegeben werden müssen, war man immer wieder bei der alten Bezeichnung geblieben.
So unwahrscheinlich es klingt, auf dieses Lokal fiel die Wahl von Heinz, als er sich vor die Frage gestellt sah, wie dem abendlichen Zusammensein mit Ilse der nötige Glanz, der passende Rahmen zu geben sei. Man mußte ihm aber zugute halten, daß er nicht wissen konnte, worauf er sich da einließ.
Er besprach sich mit Rolf, erhielt von diesem den Tip, den Rat des Dentisten Müller einzuholen, klopfte bei demselben an die Tür, trug ihm sein Anliegen vor und schloß: »Ich suche also ein geeignetes Lokal, Herr Müller. Können Sie mir eines sagen? Sie sind ja schon länger hier als wir, eine ganze Woche, glaube ich.«
»Fast zwei.«
»Um so besser, dann weiß ein Mann wie Sie sicher Bescheid.«
Daraufhin fiel der verhängnisvolle Name Excelsior.
Finanzielle Erwägungen wurden von Herrn Müller keine angestellt, da ihm ja bekannt geworden war, daß durch die Hände des jungen Mannes, mit dem er sprach, Rembrandts gingen. Deshalb also verlor im momentanen Zusammenhang der Dentist über Geld kein Wort.
Es war kurz vor halb neun Uhr abends, als Ilse und Inge, von Heinz und Rolf angeführt, über die Schwelle des von Herrn Müller empfohlenen Etablissements traten. Unterwegs hatte Ilse noch gefragt: »Wohin gehen wir eigentlich, Heinz?«
»In die Excelsior-Bar.«
»Bar? Ist das nicht zu teuer?«
»Zur Feier des Abends – nein.«
»Aber –«
»Bitte, Ilse, verdirb uns nicht die Freude. Rolf und Inge sind sicher der gleichen Meinung wie ich.«
»Stimmt«, pflichtete Rolf bei.
Inge nickte auch. Wie üblich, sah sie überhaupt noch keine Probleme.
Ilse ärgerte sich ein bißchen über die Zurechtweisung, so mild diese war, und zog sich, gemäß ihrer Art, ein bißchen in sich zurück. Sie nahm sich vor, sich überflüssiger Verlautbarungen in Zukunft zu enthalten.
Nun kam den vieren also der Excelsior-Geschäftsführer, der das Quartett an der Tür sofort erspäht hatte, entgegen und geleitete es ohne viel Worte an einen Tisch, der auf eine Gruppe gutaussehender, gutgelaunter, unternehmungslustiger, sorgenloser junger Leute geradezu gewartet zu haben schien. Der Tisch stand wie von ungefähr im Blickfeld aller anderen Tische. Das war auf die Regie des Geschäftsführers zurückzuführen, der seine Aufgabe darin sah, hübsche Mädchen nicht etwa in Nischen zu verstecken, sondern im Gegenteil auf dem Präsentierteller sozusagen ›auszustellen‹, damit sich die Allgemeinheit, besonders deren männlicher Teil, an ihrem Anblick weiden konnte. Und Ilse und Inge waren, wenn ihnen eine solche Aufgabe zugedacht wurde, bestens dazu geeignet, sie zu erfüllen. Noch hübschere Mädchen als sie gab es nämlich kaum.
Die Bar war um diese Tageszeit zwar noch nicht voll besetzt, aber schon recht gut besucht. Ein wesentlicher Prozentsatz der Gäste waren wohlbeleibte Herren fortgeschrittener Jahrgänge, mit dicken Zigarren zwischen und schweren Siegelringen an den Fingern. Charakteristisch für sie war, daß sich in ihrer Gesellschaft durchweg muntere Damen befanden, die dem Alter nach ihre Töchter hätten sein können, es aber bestimmt nicht waren.
Heinz blickte schweigend herum. Beklemmung hatte sich ihm auf die Brust gelegt. Rolf empfand nicht anders. Das Gefühl der beiden erfuhr dann sehr rasch noch eine Verstärkung, als ihnen der Kellner, nachdem sie für sich als erstes Bier haben wollten, mitteilte: »Tut mir leid, meine Herren, das
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