Sommerliebe
führen wir nicht.«
Die Flasche Wein, für die sie sich entscheiden mußten, riß das erste große Loch in ihre Kasse. Den Mädchen schlug der Ober ihren Wunsch nach Limonade auch aus.
»Ich kann Ihnen Fruchtsäfte bringen«, sagte er.
Daß diese im Preis dem Wein kaum nachstanden, vergaß er zu erwähnen. Heinz und Rolf zweifelten aber daran ohnehin nicht.
Überraschenderweise war es dann Inge, die das unvermeidliche Thema als erste anschnitt, indem sie fragte: »Glaubt ihr denn, daß wir hier richtig sind?«
Keiner antwortete. Jeder wollte dem anderen den Vortritt lassen.
Inge blickte Ilse an.
»Was meinst du?«
Ilses Vorsatz war noch nicht verwelkt.
»Ich?« sagte sie schnippisch. »Gar nichts. Ich will euch nicht die Freude verderben.«
Damit war natürlich dem guten Heinz jeder Ausweg verbaut.
»Ich weiß nicht, was Sie wollen«, sagte er zu Inge. »Gefällt Ihnen etwa das Lokal nicht? Ich finde es prima. Mir scheint es zum Beispiel die ideale Stätte zu sein, in der Sie und Ihre Freundin auf eine glänzende Idee kommen können …«
»Auf welche?« entgegnete Inge.
Auch Ilses Miene wurde ein bißchen neugierig.
»Daß Sie mit mir und Ilse mit Rolf Bruderschaft trinken, damit wir uns endlich auch übers Kreuz duzen können.«
»Gut!« rief Rolf.
Die Prozedur ging über die Bühne. Beim obligaten Kuß mit Inge erlebte Heinz eine gewisse Überraschung. Inges Zunge mangelte es nämlich dabei an der erwarteten Zurückhaltung. Die Freundschaft Inges mit Ilse schien also kleinere Risse zu vertragen.
Eine Stunde später war schon klar, daß Heinz und Rolf von dem Abend überrollt wurden. Es gab kein Zurück mehr. Auch wenn sie, wie anfänglich noch, ihrem Durst Zügel anlegten, schwoll die Rechnung rapide an, so daß der berühmte Moment kam, in dem sie sich sagten, daß sowieso alles egal sei.
Es wurde gelacht, getanzt, getrunken; an die Folgen, die damit Hand in Hand gingen, verschwendeten auch die Mädchen keinen Gedanken mehr. Als die beiden einmal gemeinsam auf die Toilette gegangen waren, um sich wieder frisch zu machen, sagte Heinz zu Rolf: »Komm, laß uns die Gelegenheit nutzen und die Gläser auf unsere Väter erheben, auf daß sie gesund bleiben und keine Schwächeanfälle erleben, wenn sie morgen unsere Telegramme erhalten …«
»Den meinen hat die Gewohnheit schon gehärtet.«
»Den meinen nicht, ich gehe ihn nur noch selten um Geld an.«
»Wenn man pleite ist, hat man keine andere Wahl«, erklärte Rolf. »Wir müßten ja sonst sofort unseren Urlaub abbrechen.«
Um zwei Uhr früh wiederholte sich das, was in der Excelsior-Bar schon oft geschehen war – der Polizeistunde wurde das eingefahrene Schnippchen geschlagen. Neu war allerdings, daß auch die Musiker nicht nach Hause gingen. Die gutaussehende Sängerin, ein rassiger Zigeunerinnentyp, feierte Geburtstag und hatte mitsamt ihrer Kapelle über die Polizeistunde hinaus eine Einladung des Lokalbesitzers, der anstrebte, mit ihr zu schlafen, vorliegen. Das kleine und, wie schon einmal erwähnt, sehr gute Orchester löste sich also in seine Bestandteile auf; seine Mitglieder mischten sich unter die Gäste. Für Musik sorgte das Radio, das man laufen ließ. Die Sängerin Ilona landete irgendwie auf einem Stuhl zwischen Heinz und Rolf. Den Abend über war sie immer nur als ›Ilona‹ angesagt worden.
Anscheinend hatte sie nun das Bedürfnis, sich in ihrer Gänze vorzustellen, denn sie sagte: »Ich heiße Ilona …«
Das andere war unverständlich – zutiefst ungarisch. Sich daran zu versuchen, wäre für deutsche Zungen ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. Mit Einverständnis der Sängerin blieb es also für Heinz und Rolf, auch für Ilse und Inge, bei ›Ilona‹. (Umgekehrt für Ilona natürlich auch bei den Vornamen der anderen).
Ilona sah zwar aus wie eine Zigeunerin, hätte aber – aus gutem Grund – jedem gegenüber mit Verve bestritten, eine zu sein. Noch hatte sie diesbezüglich als Ausländerin einen größeren Spielraum, als wenn sie im Deutschen Reich ansässig gewesen wäre, dessen Bürger ihren Stammbäumen nachgehen mußten.
Ilona sprach ein weiches, sehr schön anzuhörendes Deutsch. Tanzen konnte sie fast noch besser als Singen. Auf dem Parkett lag das Kommando bei ihr. Nicht sie ließ sich führen, sondern dieses Los traf ihren Partner. Sogar der robuste Rolf mußte diese Erfahrung machen. Nach einem Walzer mit ihr verriet er schweißgebadet Heinz: »Mann, die treibt dich umher in der Manege, dazu kommst du
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