Sommerliebe
oder keiner von uns beiden!
»Daß ihr beide müde wart, habt ihr uns gestern schon gesagt«, erklärte er.
»Todmüde.«
»Trotzdem konntest du nicht einschlafen?«
»Stundenlang nicht.«
»Das gibt's. Ich habe schon ein paarmal gelesen, daß man so übermüdet sein kann, daß man vor lauter Übermüdung nicht einschläft.«
»Bei mir war der Grund ein anderer.«
»Wir können ja mal Rolf fragen, was der als Arzt dazu sagt.«
»Dazu brauchen wir keinen Arzt.«
»So? Wen dann?«
»Überhaupt keinen Dritten.«
»Du meinst, daß wir beide von selbst das wissen?«
»Ja, jedenfalls ich. Aber ich hoffe, du auch.«
»Ich auch?« Er schien nachzudenken.
»Ist es das, was du mir am Telefon sagen wolltest?«
»Ja.«
Noch einmal versank er in Nachdenken, seufzte schließlich.
»Ich weiß es nicht, Ilse, tut mir leid.«
Langsam drehte sie den Kopf zu ihm herüber, blickte ihn an, steckte einen Finger in den Mund und kaute darauf herum.
»Du bist ein ganz gemeiner Mensch«, sagte sie.
»Ich? Warum?«
»Du zwingst mich, dir etwas zu sagen, das du ohnehin weißt. Und du weißt auch, daß ich es dir sagen wollte.«
»Wie war das? Ein bißchen kompliziert, nicht? Wiederhole das bitte noch einmal.«
»Du bist ein ganz gemeiner Mensch, Heinz Bartel.«
»Das ist keine Wiederholung dessen, was du gesagt hast.«
Vorlauter ›gesagt‹, ›sagen‹, ›sagte‹ drohte das Gespräch der beiden zur Burleske zu werden.
»Ich halte dich für einen intelligenten Menschen, Heinz Bartel.«
»Danke.«
»Deshalb muß ich dir nicht noch einmal sagen, was dir sowieso schon bekannt ist.«
»Nein, ich tappe wirklich im dunkeln.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Schwöre es.«
»Ich schwöre es«, leistete Heinz ohne weiteres einen Meineid.
Ilse seufzte.
»Dann«, sie seufzte abermals, »muß ich es dir also doch noch einmal sagen, obwohl ich dich für intelligenter gehalten habe … ich … ich liebe dich.«
»Ilse!« rief Heinz.
Der Ruf erntete kein Echo. Ilse hatte ihr Gesicht wieder weggedreht und blickte wie zuvor in den Himmel.
»Ilse, darf ich das allgemein bekanntgeben?«
»Bist du verrückt? Wen geht das etwas an außer dich und mich?«
»Inge und Rolf zum Beispiel.«
»Die beiden würden, glaube ich, nichts Neues erfahren.«
»Meine Eltern.«
Automatisch kehrte Ilses Blick zurück zu Heinz.
»Deine … deine Eltern?«
»Ja, ich sollte ihnen ohnehin längst ein paar Zeilen schreiben.«
»Aber nicht über mich, Heinz, ich bitte dich.«
»Warum nicht?«
»Hast du denn das bisher bei jedem deiner Mädchen gleich getan?«
»Nein, natürlich nicht, aber du bist ein anderer Fall.«
»Das weißt du doch noch gar nicht. Vielleicht geht dieser Fall, wie du sagst, genauso rasch und schmerzlos vorüber wie die anderen.«
»Für mich nicht. Vielleicht für dich.«
»Heinz …«
Sie wollte ihn nicht schon wieder vor den Kopf stoßen und überlegte, was sie sagen sollte. Es war nicht einfach mit ihm. Er heizt mir zu sehr ein, dachte sie. Ich habe ihm doch gesagt, in welcher Situation ich mich befinde.
»Heinz, weißt du, wie man das nennt, was du mit mir machst?«
»Wie denn?«
»Einheizen.«
»Ilse, ich will dir doch nicht einheizen.«
»Du tust das aber, und zwar ganz enorm.«
Er preßte die Lippen aufeinander.
»Sei jetzt nicht gleich wieder beleidigt«, sagte sie deshalb rasch.
»Ich bin nicht beleidigt.«
»Oder gar böse.«
»Erst recht nicht.«
»Nein?«
»Nein.«
Natürlich bin ich böse und beleidigt und gekränkt und verletzt und sehr enttäuscht, dachte er. Natürlich bin ich das alles zusammen.
»Du denkst auch nicht schon wieder an Abreise, Heinz?«
»Nein, obwohl das schon längst das Vernünftigste gewesen wäre.«
»Heinz …« Ihre Hand glitt hinüber zu seiner Schulter. »Heinz, wozu du mich dadurch zwingen würdest, habe ich dir schon einmal gesagt.«
»Das verstehe ich eben nicht.«
»Du verstehst nicht, daß ich dich liebe?«
»Ich verstehe die Formen nicht, die das bei dir findet: das Wechselhafte, das Irritierende.«
»Ich bin doch verlobt«, nannte Ilse das Kind beim Namen.
»Bist du das wirklich?«
»Glaubst du das etwa nicht?« antwortete sie. »Wozu sollte ich dich damit belügen?«
»Um mich dir vom Leib zu halten.«
Das war ein harter Hammer, aber Heinz war reif dazu. Er ergänzte sogar noch: »Ein einfacheres Mittel dazu gäbe es nicht.«
Ilse schien das, was sie gehört hatte, nicht glauben zu wollen.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein?« zweifelte
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