Sommerliebe
sie.
»Bist du verlobt oder nicht?«
»Ja, sage ich!«
»Mit wem?«
»Mit einem jungen Mann natürlich. Mit wem sonst?«
»Was macht er?«
»Er ist Assistent an unserer Universität in Berlin und so alt wie du.«
»Besitzt er außer seinem Alter vielleicht noch irgendwelche Eigenschaften, die den meinen ähneln?« fragte Heinz ironisch.
»Ja.«
»Welche?«
»Er ist intelligent, charmant, sieht gut aus.«
»Ich habe dich nach Eigenschaften gefragt«, sagte Heinz mit einem warnenden Unterton in der Stimme, »die den meinen ähneln.«
»Ganz recht.«
»Ich sehe also«, fuhr er nach kurzer Pause fort, »gut aus … bin charmant … und intelligent?«
Keine Antwort.
»Vor kurzem hieß es noch, ich sei keineswegs intelligent.«
»Wer sagt das?« antwortete Ilse.
»Du.«
»Ich? Niemals!«
»Als ich nicht erraten konnte, was du mir am Telefon gestern noch sagen wolltest, hast du mir bescheinigt, daß ich ein Idiot bin.«
»Stimmt nicht. Solche Ausdrücke nehme ich nie und nimmer in den Mund.«
»Nun gut, du sagtest wörtlich, du hättest mich für intelligenter gehalten.«
»Siehst du, das ist auch noch eine Eigenschaft, die ihr beide gemeinsam habt: euer präzises Gedächtnis.«
»Laß mich mit diesem Menschen in Ruhe!« sagte verdrossen Heinz, in dem sich, wie zu erwarten, die Eifersucht zu regen begann.
»Du hast mich doch nach ihm gefragt?«
»Das reicht aber jetzt.«
»Eines muß ich dir noch sagen: Er ist auch ein sehr, sehr anständiger Mensch.«
Heinz brummte etwas vor sich hin.
»Und das«, fuhr Ilse fort, »gerade das macht es so schwer für mich.«
Heinz schwieg.
»Verstehst du, was ich meine?« fragte ihn Ilse.
Wieder brummte er etwas Unverständliches.
»Einen solchen Mann zu enttäuschen, fällt nicht so leicht, Heinz, das mußt du mir doch zugeben?«
»Wenn ich dich so höre, Ilse, drängt sich mir die Frage auf, die mir schon länger auf den Lippen schwebt …«
»Welche?«
»Warum trägst du keinen Verlobungsring?«
»Warum?« entgegnete sie. »Was glaubst du?«
»Darf ich dir das ehrlich sagen?«
»Ich bitte darum.«
»Normalerweise ist ein solches Mädchen auf Flirts aus, die ihr der Verlobungsring verbauen würde.«
»Normalerweise ja.«
»Du nicht?«
»Nein.«
»Wo ist dann dein Ring?«
»Du quetscht mich ganz schön aus.«
»Wo ist er?«
Plötzlich lachte Ilse. Heinz sah das überrascht. Sie zeigte hinaus aufs Meer.
»Den hat der Ozean verschlungen.«
»Was sagst du?«
»Schon am ersten Tag unserer Ankunft habe ich ihn im Wasser verloren.«
Sein Gesichtsausdruck sprach Bände: »Erzähl mir keine Märchen …«
»Frag Inge«, sagte sie.
»Wie konnte denn das passieren?«
Ilse lachte immer noch.
»Hast du im Physikunterricht nicht nur geschlafen?«
»Zuweilen nicht, wieso?«
»Weil dir dann nicht entgangen sein wird, daß Wärme die Körper ausdehnt.«
»Ja, das habe ich noch mitbekommen.«
»Mein Verlobungsring wurde an einem sehr heißen Tag im vergangenen Sommer gekauft.«
»Du wirst mir doch nicht weismachen wollen, daß er dir dadurch von Anfang an zu groß war, weil ihn die Wärme ausgedehnt hatte.«
»Ihn nicht, aber mich.«
»Wie bitte?«
Ilse lachte nun schallend.
»Mich hatte die Hitze anscheinend ausgedehnt, meinen Finger. Er muß dicker als sonst gewesen sein. Am bekanntesten ist, daß die Füße bei Hitze anschwellen, das wirst du auch schon gehört haben. Kälte läßt sie wieder zusammenschrumpfen, die Finger wohl auch. Als ich hier ins Wasser stieg, muß sich das vollzogen haben. Der Ring war jedenfalls weg. Eine ganz natürliche Sache.«
Nun schien ihm kein Zweifel mehr erlaubt zu sein.
»Bei dem Wasser«, sagte er und deutete ein künstliches Zähneklappern an, »wundert mich das nicht.«
Während der ganzen Zeit waren die beiden so sehr miteinander beschäftigt gewesen, daß sie nicht darauf geachtet hatten, was Rolf und Inge machten. Dadurch war ihnen entgangen, daß die zwei schon seit einer Viertelstunde schliefen. Inges Kopf lag auf der behaarten Brust von Rolf, der sie an der Schulter umschlungen hielt. Die beiden hatten sich wohl müde geschmust.
»Ein schönes Bild«, sagte Heinz.
Ilse legte den Finger auf ihren Mund, bedeutete dadurch Heinz, leise zu sein, damit niemand geweckt wurde.
»Die Gelegenheit wäre günstig«, raunte sie ihm zu, »den zweien einmal ein Stündchen zu entfliehen. Wir könnten uns verdünnisieren und im Städtchen Kaffee trinken gehen. Was hältst du davon?«
Heinz war begeistert.
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