Sommerliebe
zu haben, von dem er sich nur wieder befreien konnte, indem er die ganze Füllung auf den Teller spuckte.
Niemand am Tisch äußerte vorläufig dazu etwas.
Heinz nahm einen zweiten Anlauf. Obwohl er dabei weitaus größere Vorsicht walten ließ, das Besteck wesentlich zarter handhabte und die Gabel ganz langsam zwischen die Lippen schob, gedieh dem Ganzen derselbe Abschluß wie vorher. Heinz Bartel hätte abermals einen Spucknapf benötigt. Da aber ein solcher nicht vorhanden war, mußte erneut sein Teller dazu herhalten.
»Heinz«, fragte Rolf, »was machst du?«
Und da er keine Antwort erhielt, richtete er eine zweite Frage an seinen Freund: »Ist der Fisch verdorben?«
Wer den Schaden hat, muß für den Spott nicht sorgen.
Mit der Nase in der Luft herumschnuppernd, sagte Rolf: »Riechen tut man nichts.«
»Und doch schmeckt er echt komisch«, behauptete Heinz, der die Rettung darin sah, so etwas vorzuschützen.
»Woher willst du das wissen?« fragte ihn Rolf. »Du erinnerst mich an eine Weinprobe, der ich an der Mosel einmal beiwohnen konnte. Die Experten spuckten da auch immer die besten Tropfen aus, ohne sie hinunterzuschlucken. Der Grund war aber bei denen, daß sie nicht besoffen werden wollten.« Rolf wandte sich an die Mädchen. »Kann man von Scholle besoffen werden?«
Wie gesagt, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Nur Ilse fühlte Mitleid im Herzen. Als Heinz mit angewiderter Miene seinen Teller von sich schob, sagte sie zu ihm: »Du kannst von mir die Hälfte haben.«
»Danke«, wehrte er ab. »Von Fisch habe ich genug.«
Dann machte er aber doch von Ilses Angebot Gebrauch.
Getrunken wurde von den Mädchen Wein, von den Männern Bier, und zwar nicht wenig, denn Fisch muß doch, wie bereits erwähnt, schwimmen.
»Ihr wißt ja, wofür die hier noch berühmt sind«, sagte schließlich Rolf. »Für ihr Eis.«
Wein und Eis, das geht ja noch, aber Bier und Eis, das ist eine Mischung, die an menschliche Eingeweide ziemliche Anforderungen stellt. Trotzdem wollten sich nicht nur die beiden Mädchen, sondern auch ihre zwei Freunde davon überzeugen, daß das Lokal von den Leuten nicht zu Unrecht gepriesen wurde. Vier Portionen Eis wurden also bestellt. Sie schmeckten in der Tat sagenhaft. Das Resultat: noch einmal vier Portionen.
»Reicht denn euer Geld?« fragte Inge die Männer.
Rolf blickte Heinz an.
Der nickte.
»Wieviel ist denn noch übrig?« fragte ihn Ilse.
»Knapp fünfzig Mark.«
Fünfzig Mark waren in jenen Jahren ein Vermögen.
»Damit können wir ganz Swinemünde noch einmal auf den Kopf stellen«, erklärte Rolf lachend.
»Vorläufig«, erinnerte ihn Heinz, »steht erst Bansin auf dem Programm beziehungsweise die nächste Station dorthin – das Asgard. Wer hat Lust auf Kaffee und Kuchen?«
Überflüssige Frage, obwohl jeder das Gefühl hatte, bald zu platzen. Besonders Inge und Rolf empfanden sich in dieser Hinsicht als bedroht, da ja keiner von ihnen seine Riesenportion Fisch mit jemandem hatte teilen müssen.
»Vorher aber«, schlug Rolf seinem Freund vor, »trinken wir zwei noch rasch einen Krug Bier.«
Die Mädchen lachten viel und waren mit allem einverstanden. Sie hatten sich aber von Anfang an für Wein entschieden und blieben dabei.
Zum Asgard marschierte der sportlich gestählte Rolf munter pfeifend voraus. Die kleine Karawane der anderen drei zog durch den Sand hinter ihm her. Heinz bildete den Schluß, überzeugt davon, daß eventuell nötig werdende Schutzfunktionen so von ihm am besten und traditionellsten wahrzunehmen waren. Rolf fing plötzlich zu singen an. Erschallen ließ er das schöne Lied: »So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage …«
Menschen, die ihnen entgegenkamen, grinsten vielsagend. Von einer Gruppe dreier Ehepaare, die als Feriengäste in Heringsdorf wohnten, wurde wieder einmal Heinz Bartel erkannt. Der Munterste aus der Gruppe rief Heinz zu: »Warum singen nicht Sie? Ihr Freund macht ja die Möwen scheu!«
Der Kuchen im Asgard war gut, aber der Kaffee ziemlich dünn. Inge und Ilse hatten keine Hemmungen, letzteres sich einander in ziemlich lautem Ton zu bestätigen, so daß am Nebentisch eine dicke Dame, die schon das dritte Stück Torte verzehrte, mithören konnte.
»Ich wollte Sie schon warnen«, erklärte sie mit vollem Mund, »als Sie alle ein Kännchen bestellten und keine Tasse. Eine Tasse ist von diesem Spülwasser hier mehr als genug. Gegen das Gebäck ist allerdings nichts
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