Sommerliebe
sie ein, leise schloß sie die Tür.
Heinz lag mit dem Gesicht zur Wand, also mit dem Rücken zur Tür. Er drehte sich nicht um.
»Frau Sneganas«, sagte er, »danke, ich benötige nichts. Sie sind sehr freundlich, aber Sie können wieder gehen.«
Ilse räusperte sich.
»Ich danke Ihnen«, wiederholte Heinz, »ich werde schon allein mit mir fertig. Eine Bitte hätte ich allerdings noch: Wenn Herr Dr. Wendrow heute vom Baden zurückkommt, sagen Sie ihm doch, daß ich auf seinen weiteren Beistand verzichte. Das Zeug, das er mir verschrieben hat, schmeckt grauenvoll. Er mag es selbst einnehmen.«
Ilse versuchte es mit einem zweiten Räuspern.
»Wissen Sie«, fuhr Heinz fort, »was der, während ich hier liege, treibt, Frau Sneganas?« Seine Stimme klang verfremdet, da sie sich an der Wand brach. »Er vergnügt sich mit zwei Weibern, weil ihm eine nicht genügt. Und diese beiden haben ihren Spaß daran.«
»Heinz!«
Der Darmkranke lag ein, zwei Sekunden lang starr, dann warf er sich, mit dem Blick Ilse erfassend, in seinem Bett herum. Durch die Erschütterung, die von der jähen Bewegung in seinen Eingeweiden hervorgerufen wurde, drohten ungute Folgen, denen augenblicklich vorgebeugt werden mußte. Wie von einer Feder emporgeschnellt, sprang Heinz aus dem Bett und rannte an Ilse vorbei aus dem Zimmer, wobei er ihr nur noch zurufen konnte: »Entschuldige, ich bin gleich wieder da!«
In der Natur der Sache lag es, daß er recht bald wieder zurückkehrte. Zwar häuft sich bekanntlich unter solchen Umständen der Aufenthalt auf der Toilette, er nimmt aber jeweils keinen großen Zeitraum in Anspruch.
Ilse hatte sich inzwischen gesetzt und einen Eindruck von ihrer Umgebung gewonnen. Das Zimmer war ziemlich groß; es ließ darauf schließen, daß die Villa ursprünglich nicht zu Beherbungszwecken erbaut worden war. Das gleiche konnte man dem Mobiliar entnehmen; es bestand aus guten Einzelstücken, wirkte jedoch zusammengewürfelt. An den Wänden hingen einige Stiche aus dem alten Litauen.
Heinz wußte, daß etwas auszubügeln war von ihm und er entschuldigte sich auf der Stelle.
»Ilse«, sagte er, »du mußt mir verzeihen, ich konnte ja nicht wissen, daß du …«, er räusperte sich, »… ich dachte, Frau Sneganas …«
Zwei Stühle standen im Zimmer; auf dem einen saß Ilse; den anderen wollte nun Heinz in Anspruch nehmen. Ilse hinderte ihn daran. Er hatte nur eine Pyjamahose an und war barfuß. In seine Hausschuhe zu schlüpfen, ehe er das Zimmer verlassen hatte, war keine Zeit mehr gewesen. Ilse konnte von Glück sagen, daß Heinz die Angewohnheit hatte, im Bett die Pyjamahose und keine Jacke zu tragen. Viele Männer halten es nämlich mit dem umgekehrten Brauch, und man stelle sich vor, Ilse wäre unter den gleichen Umständen zu einem solchen Mann ins Zimmer gekommen. In der damaligen Zeit hätte das bei einer Dame noch unweigerlich zu einem Ohnmachtsanfall führen müssen.
»Du gehst ins Bett!« sagte Ilse laut, keinen Widerspruch duldend.
Er gehorchte, streckte sich aber nicht aus, sondern stopfte sich die Kissen in den Rücken, um wenigstens einigermaßen aufrecht sitzen zu können.
»Wer hat dir mein Zimmer verraten?« fragte er.
»Deine Frau Sneganas.«
»Sie hätte mir dich ankündigen können.«
»Das wollte sie auch, aber ich bat sie, davon Abstand zu nehmen. An den Türen sind Nummern. Ich konnte dich auch allein finden.«
»Das hast du getan.«
»Wie geht's dir?«
»Hat euch Rolf gesagt, was mit mir los ist?«
»Ja – und du wirst nicht auf seinen Beistand verzichten!«
Er schnitt eine Grimasse.
»Ilse, das habe ich doch nur gesagt, weil ich verärgert war, verärgert über alles, und weil ich dachte, daß Frau Sneganas diejenige ist, mit der ich spreche.«
»Das hoffe ich schwer, daß du das gedacht hast, nachdem du ja auch noch ein bißchen was anderes gesagt hast.«
»Ilse …«
Plötzlich verschwand der strenge Zug aus ihrem Gesicht, sie lachte und beruhigte ihn: »Schon gut. Sag mir jetzt, was ich für dich tun kann.«
Er rückte, soweit es ging, an die Wand, klopfte mit der flachen Hand neben sich auf das Bett und sagte: »Dich da hersetzen.«
Ohne zu zögern erhob sie sich und erfüllte ihm seinen Wunsch.
Sie strahlten sich an. Er nahm ihre Hand, streichelte diese.
»Ich freue mich ja so, daß du da bist«, sagte er mit warmer Stimme.
»Rolf wollte mich gar nicht zu dir lassen. Ich habe Stunden verloren, bis ich den Mut fand, ihm praktisch zu sagen, daß er mir den
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