Sommerliebe
gerade jetzt so einsam fühlte.
»Kann's auch was anderes sein? Wein oder Schnaps?«
»Alles! Alles, was uns unterkommt!«
Männer sind so.
Heinz trank auf absolut nüchternen Magen, er hatte ja immer noch nichts gegessen. Und dabei blieb's auch weiterhin, denn der Hunger, den Heinz zwischendurch verspürt hatte, war infolge des abrupt über Heinz hereingebrochenen Abschiedsschmerzes in Vergessenheit geraten. Bereits im zweiten Restaurant, das Rolf und er auf ihrer ›Reise‹ streiften, hielt ihn also der Alkohol in seinen Krallen.
Am Nebentisch saßen zwei Mädchen, die Frikadellen gegessen hatten und schon willens waren zu zahlen. Sie überlegten es sich aber noch einmal. Beide waren große, gutaussehende, blonde Friesinnen, die in Königsberg ihr Auskommen gefunden hatten. Sie hießen Antje und Barbara.
Rolf lächelte hinüber zu ihnen.
Keine Reaktion.
Die sind richtig, dachte Rolf, je mehr sie sich zieren, desto schärfer sind sie.
Der Kellner strich um den Tisch der Mädchen herum. Winkten sie ihm, um nun doch ihre Rechnung zu begleichen. Ja, sie taten dies – aber nicht, um zu bezahlen.
»Bringen Sie mir bitte noch einen Likör«, sagte Barbara.
»Mir auch«, schloß sich Antje, die ein Vierteljahr jünger war, an.
Beide waren um die Zwanzig herum, standen also im besten Alter. Hinter Antje lag allerdings schon eine Verlobung mit einem kräftigen Ostpreußen, die ihr ein bißchen zugesetzt hatte. Barbara, die ältere, litt deshalb Antje gegenüber ein wenig an Minderwertigkeitskomplexen, die abzuschütteln sie fest entschlossen war.
»Welche gefällt dir besser?« fragte aus den Mundwinkeln heraus Rolf seinen Schutzbefohlenen, für den er sich heute mehr denn je verantwortlich fühlte.
»Gar keine«, brummte Heinz. »Hast du vergessen, was ich dir gesagt habe?«
»Du mußt sie dir näher ansehen«, sagte Rolf wieder aus den Mundwinkeln heraus, während er ein zweites Lächeln zu den Mädchen hinübersandte.
Wieder ein Schlag ins Wasser. Die jungen Damen schienen überhaupt nicht auf Sendung zu sein.
Die sind ja superscharf, dachte Rolf. Von denen stellt jede noch Inge und Annamirl in den Schatten.
»Ich mache dir einen Vorschlag, Heinz«, fackelte er nun nicht mehr lange. »Ich hole die rüber an unseren Tisch, dann kannst du dir ja die deine raussuchen. Ich lasse dir den Vortritt und begnüge mich mit der zweiten Wahl. Mehr kannst du von mir nicht verlangen.«
Schon erhob er sich halb, um seine Worte in die Tat umzusetzen, als Heinz ihn mit einem zwingenden Blick noch einmal auf seinen Stuhl festbannte. Lange schaute ihm Heinz in die Augen. Schließlich sagte er: »Ilse, mein Lieber, hat dich erkannt. Willst du hören, als was sie dich bezeichnet?«
»Als was denn?«
»Als meinen bösen Geist.«
»Deinen bösen Geist?« ereiferte sich Rolf. »Dein böser Geist wäre ich, wenn ich heute abend zu dir gesagt hätte, ja, du hast recht, häng dich auf, dir ist danach, erschieße dich, nein, das geht ja nicht, du hast keine Pistole, dann spring ins Meer oder stopf dir eine Scholle in den Hals, damit du dran erstickst. Mach auf irgendeine Weise Schluß. Das Einfachste ist, dich aufzuhängen. Komm, ich besorge dir noch selbst einen Strick, denn ich bin ja dein böser Geist.«
Unwillkürlich hatte Rolf in seiner Aufregung lauter gesprochen, als es angebracht war, so daß die Mädchen am Nebentisch, ob sie nun wollten oder nicht, als Ohrenzeugen seiner Worte in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Ihr Erschrecken konnten sie nicht verbergen. Rolf sah das ganz deutlich.
»Verzeihen Sie, meine Damen«, sprach er zu ihnen hinüber, »ich wollte Sie nicht behelligen. Aber der Zustand meines Freundes hat mich die Kontrolle über mich etwas verlieren lassen. Ich bin in Sorge um ihn. Ich muß mich um ihn kümmern. Niemand hilft mir dabei.«
Barbara und Antje sahen einander an.
»Verzeihen Sie«, wiederholte Rolf. »Wir trinken nur noch unser Bier aus, dann verschwinden wir wieder, um Sie nicht mehr länger zu stören.«
»Sie s-tören uns nicht«, sagte Barbara, die ältere, in friesischem Hochdeutsch.
»Nein, gewiß nicht«, bekräftigte Antje.
»Danke«, nickte Rolf. »Ein zweites Glas würden wir ja in diesem Lokal, offen gestanden, gerne noch trinken. Selbstverständlich setzen wir uns aber dazu an einen anderen Tisch, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Das müssen Sie wirklich nicht«, beteuerte Barbara.
»Ich meinte ja den Ihren«, sagte Rolf grinsend.
So fing das also an, und daß es
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