Sommerliebe
ebenso rasch weiterging, dafür sorgte Rolf in unveränderter Manier. Als Heinz zum erstenmal auf die Toilette mußte, fragte Barbara den am Tisch zurückgebliebenen Rolf rasch: »Was hat denn Ihr Freund?«
Rolf hatte die Antwort schon parat.
»Das ist eine tragische Geschichte«, floß es ihm leicht von den Lippen. »In seiner Familie gibt's einen polnischen Zweig, und das lastet seit heute auf seiner Seele.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Barbara aus schlagartiger Erkenntnis.
»Der Arme!« meinte Antje.
Rolf bemühte sich, die beiden zu beruhigen.
»Er wird darüber hinwegkommen. Man muß ihm nur helfen.«
Besonders Barbara nickte heftig.
»Ich möchte Sie allerdings bitten, meine Damen«, fuhr Rolf fort, »ihm nicht zu verraten, daß ich Ihnen von dieser Belastung etwas gesagt habe. Ich weiß nicht, wie er darauf reagieren würde.«
Nun, das wußte Rolf nur zu genau, deshalb mußte er einer solchen Möglichkeit vorbauen.
»Sie können sich auf unsere Verschwiegenheit verlassen«, versicherte Barbara.
Und Antje fügte hinzu: »Jetzt verstehe ich auch, warum er so rasch trinkt.«
Die Entscheidung, welches der beiden Mädchen für Rolf übrigblieb, war immer noch nicht gefallen, da dies von Heinz abhängig war und es von dessen Seite nach wie vor an schlüssigen Signalen fehlte. Heinz war nur schwer in die gewünschte Fahrtrichtung zu bringen, aber schließlich gelang dies den vereinten Bemühungen Rolfs und der zwei Friesinnen doch. Als seine Favoritin schälte sich dann Barbara heraus, was eigentlich zu erwarten gewesen war. Den entscheidenden Vorsprung vor Antje konnte sie gewinnen, als sie in einem kleinen Gespräch über gutes Essen erklärte: »Exzellent, habe ich mir sagen lassen, kocht man auch in Polen.«
Erstaunt darüber, daß es noch jemanden gab, der einen guten Faden an den Polen ließ, hob Heinz den Kopf.
»In Polen? – Ich denke, dort ist alles Sch …«, er unterbrach sich und sagte es in französisch, »… ist alles merde?«
»Nicht in meinen Augen.«
Da von Essen die Rede war, packte Rolf die Gelegenheit beim Schopf, indem er sagte: »Wie wär's denn eigentlich mit einem Imbiß für dich, Heinz?«
»Eine Unterlage würde mir nicht schaden«, gab Heinz selbst zu.
Er aß also, und zwar auf Empfehlung der Mädchen, Frikadellen und blieb dadurch noch den ganzen Abend auf dem Damm, nahm voll an der Unterhaltung teil, bereicherte diese durch eigene Geistesblitze und hatte um Mitternacht, als die Polizeistunde nahte, keine Schwierigkeiten, zu erkennen, was Barbara von ihm erwartete.
Aber wo?
Eben wieder zwischen den Dünen.
Der Weg dorthin führte in der Dunkelheit für Barbara, wie sie sich ausdrückte, über S-tock und S-tein, aber an Ort und S-telle fand sie es dann wunderbar s-till und unges-tört.
Der Kater kam für Heinz am nächsten Tag, und Heinz konnte ihn auch nicht mehr abschütteln, solange er noch in Heringsdorf weilte. Sein schlechtes Gewissen, wenn er an Ilse dachte, erschwerte es ihm, in den Spiegel zu gucken, sogar morgens beim Rasieren.
Rolf nahm die Dinge leichter. Am letzten Tag vor der Abreise hatte er noch einmal Großeinsatz. Er schaffte es, nacheinander sowohl Inge als auch Antje als auch Annamirl auf sein Programm zu setzen. »Das soll mir einer nachmachen«, sagte er zum Schluß zu Heinz.
Abends nahm Heinz allein Abschied von Heringsdorf. Er ging noch einmal zum Strand. Dunkel rauschte das Meer. Der Mond schob sich langsam empor, und über das Nachtblau des Himmels spannte sich ein funkelnder, bestickter Teppich. Die Klarheit des Firmaments brachte auch Kühle mit sich, die den einsamen Mann am Strand frösteln ließ. Möwen, vom Lärmen und Fliegen ermüdet, flatterten zu den Pfeilern der Seebrücke. Leise Tanzmusik tönte vom Kasino herüber, und nicht weit von einem Haufen zusammengestellter Strandkörbe lachte ein Pärchen und verschwand zwischen den Dünen. Heiß mußte da Heinz an Ilse denken.
»Ilse«, murmelte er.
Draußen auf dem Meer zog mit blinkenden Lichtern ein Dampfer dahin. Und wieder löste sich am Himmel eine Sternschnuppe und stürzte erdwärts.
Heinz Bartel wünschte sich, daß der Krieg vorbei sei. Aber der hatte ja noch gar nicht richtig angefangen.
Im Zugabteil nach Berlin saßen Heinz und Rolf zusammen mit vier Feldwebeln der Luftwaffe, die Flaschen kreisen ließen. Je zwei der Feldwebel hatten den Auftrag, aus Dessau eine Ju52 an die Ostfront zu fliegen und auf einem der dort schon errichteten Feldflughäfen
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