Sommermaerchen
Er beugte sich leicht vor. „Sie sind sehr blass. Soll ich Ihnen ein Glas Wein einschenken? Ich habe hier eine Karaffe.“
„Danke, gern.“
Eloise sah sich neugierig in seinem Zimmer um und entdeckte verschiedene persönliche Dinge: Rasierzeug auf dem Waschtisch, auf der Kommode silberne Haarbürsten. Auf dem Bett lag ein bunt gemusterter Morgenrock, den Jack wohl abends über seinem Nachthemd trug. Sie berührte den kühlen Seidenstoff und stellte sich vor, wie er sich über Jacks breiten Schultern spannte. Vielleicht trug Jack ihn auch direkt auf der Haut. Sie wusste, dass einige Männer keine Nachthemden trugen. Leicht benommen nahm sie die Hand wieder fort und verdrängte die Gedanken, da sie eine seltsame Unruhe in ihr weckten. Hastig erhob sie sich vom Bett und setzte sich in einen Sessel neben dem Kamin. Es ziemte sich nicht, sich im Schlafzimmer eines Gentlemans aufzuhalten. Das betont männliche Flair dieses Raums war ihr fremd. Tony und sie hatten in getrennten Zimmern geschlafen. Eloise schluckte mühsam. Und Jack Clifton war nicht Tony – er war so viel gefährlicher als ihr lieber, vertrauter Tony.
Die Vernunft riet ihr, sofort zu gehen, doch irgendetwas hielt sie zurück. Zu ihrer Verblüffung stellte sie fest, dass sie sich bei diesem Mann sicher fühlte. Stattdessen hatte sie Angst davor, allein zu sein.
Jack kam mit zwei Gläsern in den Händen zu ihr und reichte ihr eins. Es überraschte ihn nicht, dass sie das Bett verlassen und sich in einen Sessel gesetzt hatte. Die Anspannung war ihr anzusehen, und insgeheim empfand er Mitleid mit ihr. Sie nahm das Glas, umfasste es mit beiden Händen, als gäbe es ihr Halt, und blickte unverwandt in die dunkle Flüssigkeit.
Jack zog einen Schemel herbei, sodass er zu ihren Füßen sitzen konnte. „Trinken Sie“, drängte er sie. „Ich habe nichts hineingetan. Sie können mir vertrauen.“
Ein schwaches Lächeln erschien um ihre Mundwinkel. „Das weiß ich. Mir fällt nur gerade ein, dass ich meinen Umhang in Alex’ Zimmer vergessen habe.“
„Meine Jacke liegt auch noch dort. Aber Farrell wird sie uns morgen sicher zukommen lassen. Machen Sie sich keine Gedanken deswegen.“
Eine Weile herrschte Schweigen. Jack spürte, dass Eloise sich entspannte. Die Ellbogen auf den Knien, das Glas in den Händen, starrte er in den Kamin und war sich ihrer Nähe nur allzu bewusst. Er bräuchte sich nur ein wenig vorzubeugen und sein Arm würde ihren Schenkel berühren. Eine kleine Bewegung, und er könnte den Kopf in ihren Schoß legen. Er musste an sich halten, um seiner Sehnsucht nicht nachzugeben. Ein Blick auf ihre schlanken Knöchel und zierlichen Füße zeigte ihm, dass ihre Strümpfe schmutzig waren von Gras und Erde. Er erinnerte sich an das, was geschehen war, und wusste, dass er warten musste. Solange Eloise in Gefahr war, konnte er nicht daran denken, sie zu umwerben.
Umwerben?
Jack fuhr innerlich zusammen. Was ging ihm da bloß durch den Kopf? Doch sicherlich nicht der Wunsch, sie zu heiraten. Gewiss, irgendwann würde er sich entschließen, eine Frau zu nehmen und eine Familie zu gründen. Allerdings hatte er dabei immer an ein unschuldiges Mädchen mit respektablem Ruf gedacht wie seine süße Clara, nicht an eine Witwe mit so fragwürdiger Vergangenheit, dass man sie damit erpressen konnte. Und doch brauchte er Eloise nur anzuschauen, und plötzlich war ihre Vergangenheit nicht mehr wichtig.
Eloise leerte ihr Glas und stellte es auf ein Tischchen. „Danke. Ich sollte jetzt gehen.“
„Bleiben Sie noch ein wenig.“
„Aber ... meine Füße sind nass.“
Ihr Blick ruhte auf ihm. Kein Hauch von Koketterie lag darin, nur Unsicherheit und eine seltsam schüchterne Wehmut. Plötzlich schlug sein Herz schneller. Warum nicht? flüsterte eine innere Stimme ihm zu. Wenn die Dame willig ist .
„Ich kann sie abtrocknen“, hörte er sich sagen. „Erlauben Sie?“
Unwillkürlich umklammerte Eloise die Armlehne ihres Sessels, als Jack langsam den Rock ihres Kleides bis zum Knie hochschob. Ein einziges Wort, eine einzige Geste würde genügen, um ihn aufzuhalten, das wusste sie. Aber sie sagte nichts. Sie rührte sich nicht, während er das Strumpfband löste. Stetig steigende Erregung nahm ihr den Atem, ihre Haut begann zu prickeln. Fasziniert schaute sie zu, wie er den Strumpf hinunterrollte und schließlich ganz abstreifte.
„So ist es besser. Soll ich jetzt den anderen ausziehen?“
Nein! dachte sie unruhig. Sie wusste, dass sie fliehen
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