Sommermaerchen
selbst gerne Kinder. Wenn ich ihm einen Korb gebe, werde ich wohl nie wieder einen Heiratsantrag erhalten.“
„Möglich, indes ist dies kein Grund, eine Ehe einzugehen.“
„Ich weiß nicht einmal sicher, ob er mich fragen wird, Lucy. Es ist nur so ein Gefühl.“
Beatrice hielt inne, sie wollte nicht weiter über dieses Thema sprechen.
„Das ist so ungerecht. Warum solltest du dich mit jemandem vermählen, der nicht der Mann deiner Träume ist?“, platzte Lucy heraus.
„Das ist nun einmal der Lauf der Welt“, sagte Beatrice und wünschte, sie könnte das selber glauben.
„Vermutlich“, sagte Lucy, ebenso zweifelnd.
Über diese Ungerechtigkeit nachdenkend, lehnten sie sich beide in ihren Sesseln zurück.
Es war kurz vor zehn Uhr abends, Charles fühlte sich ruhelos und gelangweilt.
Obgleich er sich mit vielerlei Dingen beschäftigte, konnte er sich für nichts begeistern. Er hatte versucht, die Langeweile zu vertreiben, indem er noch öfter ausging. Da dies indes nicht geholfen hatte, blieb er schließlich zu Hause, erledigte seine Korrespondenz, zahlte alle Rechnung, las Dante erneut ... Ja, er hatte sogar eine Dartscheibe im Arbeitszimmer aufgehängt, damit er seine Treffsicherheit verbessern konnte.
Er wusste, woher seine Unzufriedenheit rührte. Seit er Beatrice im Gras liegend erblickt hatte, musste er beinahe unablässig an sie denken. Die einzige Möglichkeit, sie aus seinen Gedanken zu verbannen, war, so glaubte er, sie zu erobern. Diese Möglichkeit indes kam leider nicht infrage. Beatrice war für ihn tabu, außerdem war sie abgereist.
Dafür hätte er dankbar sein sollen, aber durch ihre plötzliche Flucht kam er sich wie ein Schuft vor. Immerhin war er letztendlich der Auslöser dafür gewesen. Obwohl er wusste, dass sie auf eine Ehe hoffte, hatte er ihr Avancen gemacht und rücksichtslos ihren guten Ruf in Gefahr gebracht. Zwar hatte er sie gewiss zu nichts gezwungen, indes war sie zu unerfahren, um seinen Schmeicheleien zu widerstehen. In derlei Dingen war er sehr geübt, weshalb er auch gar nicht hätte versuchen dürfen, sie zu verführen.
Allerdings hätte er ihr nicht einmal widerstehen können, wenn sein Leben davon abhinge. Er verzehrte sich nach ihr, wie er sich noch nie nach einer Frau verzehrt hatte. Beatrice war die faszinierendste Frau, der er je begegnet war. Sicher, es gab Frauen, die schöner waren, zierlicher, weniger Sommersprossen hatten. Doch für ihn war sie vollkommen, und seine Langeweile rührte einzig daher, dass er sich nicht darauf freuen konnte, sie wiederzusehen.
Möglicherweise würde er sie nie wiedersehen.
Ein heftiges Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Er hörte seinen Butler die Tür öffnen und besorgt ausrufen: „Lady Lucy. Fühlen Sie sich nicht wohl?“
Lucy hatte an diesem Tag mehr als zehn Stunden in der Kutsche verbracht und sah dementsprechend erschöpft aus. Nach dem Besuch bei ihrer Freundin hatte sie sich geradewegs zu ihrem Bruder fahren lassen.
Charles trat aus dem Arbeitszimmer, Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Ist alles in Ordnung, Lu?“, fragte er.
„Ja, Charles. Ich möchte nur kurz mit dir reden, wenn es möglich ist.“
„Für dich habe ich immer Zeit.“
Er schloss die Tür des Arbeitszimmers hinter ihnen und rückte ihr einen Stuhl zurecht, bevor er wieder an seinem Schreibtisch Platz nahm.
„Charles, du siehst aus wie der leibhaftige Tod.“
Er brummte unwillig. An diesem Tag hatte er sich noch nicht die Mühe gemacht, in den Spiegel zu schauen, aber er ahnte, wie er aussah. Am vergangenen Abend war er mit Jack ausgegangen, und sie hatten beide reichlich getrunken. Erst in den frühen Morgenstunden war er eingeschlafen – in einem Sessel in seinem Arbeitszimmer.
„Vielen Dank, Lu. Bitte sprich nicht so laut.“
„Hm.“ Nun war es an Lucy, unwillig zu brummen. Dabei klang sie ganz genau wie ihre Mutter.
„Gewiss bist du nicht hergekommen, um mir zu sagen, dass ich wie der Tod aussehe.
Also?“
„Ich habe Neuigkeiten, die dich vielleicht interessieren. Ich komme gerade von einem Besuch bei Beatrice Sinclair zurück.“
„Ist sie wieder in der Stadt?“ Charles bemühte sich, nicht zu interessiert zu klingen.
„Nein, sie weilt in Hampshire.“ Lucy schenkte dem überraschten Blick ihres Bruders keine Beachtung. „Ich musste sie etwas Wichtiges fragen. Während unserer Unterhaltung erwähnte sie, Lord Asher hege vermutlich die Absicht, sich ihr bei der Dinnerparty der Sinclairs
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