Sommermaerchen
war.
Unglücklicherweise wusste sie nicht recht, wie sie sich verhalten sollte, wenn er tatsächlich um ihre Hand anhielt. Sie hatte seinen Avancen nie Einhalt geboten und fühlte sich nach all dieser Zeit fast verpflichtet, seinen Antrag anzunehmen. Lord Asher war attraktiv, sympathisch und besaß all die Eigenschaften, nach denen sie Ausschau halten sollte. Ihn zu küssen, würde wahrscheinlich nicht dieselben leidenschaftlichen Gefühle in ihr wecken, die sie verspürte, wenn Charles sie küsste, aber auf lange Sicht gesehen war dies vermutlich auch vorzuziehen.
„Bea?“
Beatrice sah Eleanor fragend an.
„Tut mir leid, Ellie, hast du was gesagt?“
„Ich habe gefragt, ob du dich in dieser Saison nicht vielleicht doch verliebt hast.“
„Ich sagte dir doch bereits, dass dem nicht so ist.“ Sie konnte mit niemandem über Charles reden, nicht einmal mit Eleanor. Ihre Erinnerungen waren zu intim, und der Gedanke an ihn schmerzte. Zu allem Unglück hatte Tante Louisa ihn und seine Familie ebenfalls zu dieser vermaledeiten Dinnerparty eingeladen. Beatrice hätte sie zu gerne davon abgehalten, allerdings hätte dies Misstrauen erregt.
„Du warst in letzter Zeit so zerstreut, dass ich dir das nicht glauben kann. Ich werde es schon aus dir herauskitzeln, Beatrice Sinclair. Vielleicht hast du darüber in deinem Tagebuch geschrieben ...“
„Eleanor, wenn du es wagst, auch nur einen Blick in mein Tagebuch zu werfen ...“
Es klopfte und eine reichlich verwirrt aussehende Meg trat ein. „Lady Lucy Summerson wünscht Sie zu sprechen, Miss Beatrice. Soll ich ihr sagen, dass Sie beschäftigt sind?“
Beatrice war ebenso verwirrt wie ihre Zofe. Sudley lag gut sechzig Meilen von London entfernt. Da kam man nicht einfach unangemeldet vorbei. Was führte Lucy im Schilde? Leichte Panik überkam sie.
„Nein, ich werde sie empfangen. Sag ihr, ich komme gleich.“
Meg nickte und verließ das Zimmer.
Eleanor räusperte sich vernehmlich. „Du siehst recht betroffen aus. Was geht hier vor?“
Beatrice setzte zu einer Erklärung an: „Es ist nichts, Ellie. Ich bin nur überrascht, über den unerwarteten Besuch. Lucy ist eine Freundin aus London. Sie muss zufällig in der Nähe gewesen sein ...“
„Darf ich dich begleiten?“, fragte Eleanor hoffnungsvoll, denn sie ahnte, dass ihre Schwester ihr etwas verheimlichte.
„Nein“, antwortete Beatrice, stand auf und ging zur Tür. „Aber ich werde dich über alle erwähnenswerten Dinge in Kenntnis setzen.“
Während sie hinunterging, überlegte sich Beatrice plausible Ausreden für ihre überstürzte Abreise aus London, doch ihr fielen keine ein. Als sie die Tür des Salons erreichte, beschloss sie offen und ehrlich zu sein. Lucy war ihr eine liebe Freundin geworden, und sie schätzte sie zu sehr, um sie anzuschwindeln. Inständig hoffte sie, Lucy würde Verständnis für sie aufbringen.
15. KAPITEL
Lucy saß im Salon und nippte an einer Tasse Tee. Als Beatrice eintrat, sprang sie abrupt auf.
„Lucy, wie schön, dich zu sehen!“, grüßte Beatrice, bemüht unbekümmert zu klingen.
„Entschuldige, dass ich mich nicht von dir verabschiedete, ehe ich London verließ.
Das ist mir ausgesprochen unangenehm, allerdings ist plötzlich etwas ...“
„Oh nein!“, unterbrach Lucy. „Du musst dich nicht entschuldigen und mach dir bloß keine Vorwürfe. Ich verstehe es vollkommen.“
„Du verstehst es?“, fragte Beatrice zweifelnd, ließ sich in einen Sessel sinken und bedeutete Lucy, es ihr gleichzutun. Die Möglichkeit, dass Charles mit seiner Schwester über den bewussten Vorfall gesprochen hatte, bestand durchaus. Wenn ja, fand sie das besser heraus.
Lucy rutschte unbehaglich in ihrem Sessel hin und her. „Ich vermute, deine Abreise hat etwas mit meinem Bruder zu tun, nicht wahr, Bea?“
Beatrice überlegte, wie sie vorgehen sollte. Sie wollte offen sein, aber sie musste auch nicht alles eingestehen. „Nur teilweise. Bitte verstehe mich nicht falsch, Lucy. Er war daran interessiert, unsere Bekanntschaft ... zu vertiefen, aber zwischen uns ist nichts geschehen.“
„Tatsächlich?“, fragte Lucy hoffnungsvoll.
Beatrice nickte errötend. „Er hat mich geküsst. Das ist alles.“ Das war ganz und gar nicht alles, aber mehr würde sie keinesfalls preisgeben. „Wie dem auch sei, ich habe London verlassen, weil mir bewusst wurde, dass es dort niemanden gab, mit dem ich in den Stand der Ehe hätte treten wollen.“
Lucy entspannte sich sichtlich. „Ich
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