Sommernachtsgeflüster
das angenehm, aber sie fragte sich doch, ob es vielleicht bedeutete, dass er mehr erwartete, als sie nach kurzer Bekanntschaft zu geben bereit war. Von zu Hause wegzulaufen, war eine Sache, aber zu Rory ins Bett zu springen, bevor sie Zeit hatte, ihn richtig kennen zu lernen, eine ganz andere. Ihre Moralvorstellungen konnte sie nicht so leicht hinter sich lassen wie ihre Mieter.
Er bemerkte ihre Zweifel und lachte. »Ist das das ganze Gepäck, das Sie bei sich haben? Macht nichts, Sie können sich ja nötigenfalls etwas von mir ausleihen. Zum Wagen geht es hier entlang.«
Während sie ihm auf den Parkplatz folgte, ging Thea mit einiger Verspätung auf, dass die Kleider, die sie für eine Woche in der Provence für geeignet gehalten hatte, wahrscheinlich nicht die richtige Ausrüstung für das westliche Irland waren. Während er die Tür eines sehr zerbeulten Landrovers öffnete, kuschelte sie sich in ihre Fleecejacke.
»Steigen Sie ein. Ziemlich ramponiert, fürchte ich, aber ein gutes Arbeitspferd. Der Weg hinunter zum Haus ist recht steil, und dieser Wagen bewältigt ihn fast bei jedem Wetter.«
»Haben Sie hier viel Schnee?« Thea hatte das Gefühl, als müsste es jeden Moment anfangen zu schneien, so wie sich die grauen Wolken über den Himmel wälzten und ab und zu Schauer eisigen Regens auf sie herabsandten.
»So gut wie nie, dazu liegen wir hier zu weit westlich, aber dafür jede Menge Regen.« Er verstaute ihr Gepäck im Kofferraum, schlug die Klappe zu und stieg an der Fahrerseite ein. »Ihm verdanken wir schließlich unsere vierzig Grüntöne.«
Der Landrover war zwar sehr laut, verfügte aber über eine sehr effiziente Heizung, die Thea mit einem heißen Luftstrom wie aus einem Föhn anblies. Als auch noch die Landschaft immer schöner wurde, fühlte sie sich langsam besser. Sie brauchte ja nur eine Woche oder zehn Tage bei Rory zu bleiben, um das Gesicht zu wahren, und diese Zeit konnte sie einfach genießen. Sie war zum ersten Mal in Irland.
»Am berühmtesten hier in Mayo sind die Clew Bay und der Croagh Patrick. Das ist ein Berg, der aussieht wie eine Schlackenhalde. Einmal im Jahr findet dort eine Wallfahrt statt. Dann besteigen ihn die Leute, manche sogar barfuß.« Er lächelte. »Wenn Sie gleich auf dem Gipfel dieses Hügels nach links schauen, können Sie die Bucht sehen.«
Sie schaute in die angegebene Richtung. Die Sonne, die bis dahin geschmollt hatte, durchbrach plötzlich die Wolkendecke, färbte das Meer silbern und überzog die Inseln in der Ferne mit Gold. Es war so schön, dass ihr der Atem stockte. Sie hätte es gern fotografiert, aber noch stärker war das Verlangen, einfach hinzuschauen, den Anblick in sich aufzunehmen und sich einzuprägen. Sie seufzte so herzhaft, dass daraus ein Gähnen wurde.
Rory blickte sie an. »Sie müssen müde sein. Aber wir sind auch gleich da. Wenn Sie sich erst eingerichtet und einen Drink genommen haben, wird es Ihnen besser gehen.«
»Ich bin ziemlich erledigt. Es ging heute Morgen früh los, und ich habe nicht gut geschlafen.«
»Diese Molly hat geschnarcht, wie?«
»Das habe ich Ihnen doch nicht etwa verraten, oder? Wie treulos von mir.«
»War nur ein Schuss ins Blaue. Also, Sie können zwischen zwei Schlafzimmern wählen« - er warf ihr einen kurzen Blick zu - »meins nicht eingeschlossen. Sie können das nehmen, was Ihnen am besten gefällt.«
»Das ist wirklich freundlich.« Machte er sie taktvoll darauf aufmerksam, dass sein Schlafzimmer für sie nicht infrage kam? Oder wollte er nur sagen, dass sie reichlich Wahlmöglichkeiten hatte, ohne mit ihm schlafen zu müssen? Sie wünschte sich plötzlich, sie hätte ihre Jugend nicht so verschwendet; dann würde sie jetzt vielleicht die Zwischentöne genauer wahrnehmen.
»Nun.« Er grinste sie an. »Sie werden doch nicht mit mir ins Bett steigen wollen, bevor Sie nicht die Möglichkeit hatten, mal zu sehen, wie oft ich ein Bad nehme oder ob ich vielleicht noch schlimmer schnarche als Molly. Oder irre ich mich?«
Sein Grinsen, sein mitfühlendes Verständnis und die Tatsache, dass die Welt von der untergehenden Sonne jetzt pink und golden überhaucht war, verschafften ihr das Gefühl, dass ihr verrückter Entschluss genau das Richtige gewesen war.
Ihr Ziel, so stellte sich heraus, war ein Cottage direkt oberhalb des Strandes. Eine schier endlose, grüne Fahrspur führte dort hinunter, wo es lang gestreckt und niedrig - mit weißen Wänden, grauem Schieferdach und einer blauen
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