Sommernachtsgeflüster
Rory hätte greifbar sein sollen, um notfalls einen Tierarzt zu holen.
Lara hatte bereits vier Welpen zur Welt gebracht und Thea drei große Kannen Tee gekocht, als sich ein Problem abzeichnete. Lara hatte sich eine Zeit lang erfolglos abgemüht. Plötzlich sprang sie überraschend elegant aufs Sofa und bedachte dessen Polster mit einem gewaltigen Guss schwarzer Flüssigkeit.
»Oh!«, entfuhr es Thea.
»Das ist schon in Ordnung. Das heißt, dass die Fruchtblase geplatzt ist. Es wird eine trockene Geburt werden, und der nächste Welpe liegt vielleicht falsch herum.«
»Das klingt für mich nicht so, als wäre es in Ordnung, wenn wir beide allein ohne Tierarzt dastehen.«
»Sie könnten vielleicht in den Gelben Seiten nachschlagen.«
»Ich weiß nicht, wo sie sind und ob es so etwas in Irland überhaupt gibt. Wenn ich in ein Haus komme, dann suche ich ja nicht als Erstes nach den Telefonbüchern. Ich verstehe jetzt aber, dass das ein furchtbarer Fehler war.«
»Es besteht kein Anlass zur Panik.«
»Ich bin nicht panisch«, erwiderte Thea wider besseres Wissen. »Ich werde mich mal umsehen.«
»Wenn wir ohne einen Tierarzt auskommen müssen, dann müssen wir es eben ohne Tierarzt schaffen. Ah, ich sehe, dass etwas kommt. Es ist ein Bein. Zwei Beine.«
»Bedeutet das eine Steißgeburt?«
»Jawohl.«
Lara gab ein Jaulen von sich, das Thea schier das Herz zerriss. Der Welpe kam noch etwas weiter zum Vorschein, und jetzt geriet Lara in Panik. Sie sprang vom Sofa und rannte, in dem vergeblichen Versuch, dem Schmerz zu entkommen, winselnd durch den Raum.
Thea räumte die bereits geborenen Welpen beiseite, während Ben Lara einzufangen versuchte. Als Thea die Welpen am Feuer untergebracht hatte, wo sie wahrscheinlich niemandem, auch nicht Lara, in die Quere kamen, half sie Ben.
»Halten Sie ihr den Kopf und beruhigen Sie sie, während ich versuche, diesen kleinen Burschen herauszubekommen.«
Thea hielt den eimergroßen Kopf fest und hoffte, dass Lara in ihrem Schmerz nicht böse werden und beißen würde.
Sie sah bewundernd zu, wie Ben die kleine Gestalt vorsichtig durch die Öffnung zwängte, die viel zu klein für sie zu sein schien. Währenddessen murmelte er Lara ständig etwas zu, und obwohl sie immer noch wimmerte, schien sie etwas ruhiger zu werden. Thea wollte schon bemerken, dass Lara sicher wisse, dass Ben ihr helfe, sah aber noch rechtzeitig ein, wie furchtbar sentimental das klingen würde. Ihr war ein wenig nach Weinen zu Mute.
»Da wären wir.«
Der Welpe landete in Bens Händen und öffnete sein Mäulchen, um zu quieken. Lara ließ sich auf der Stelle -das hieß, hinter dem Esstisch - zu Boden fallen.
Während Thea zusah, wie Ben Lara den Welpen gab, damit sie ihn ableckte, überkam sie das merkwürdige Gefühl, dass dieser Augenblick entscheidend war, als hätte sie etwas ungemein Wichtiges gelernt, es aber sofort wieder vergessen. Schnell schüttelte sie den Kopf und beschloss, dass es irgendetwas mit den Welpen zu tun haben müsse. Und mit ihren Hormonen, die aus Mitgefühl für Lara verrückt spielten.
Lara allerdings schien es wieder gut zu gehen. Den letzten Welpen, der etwas größer war als die anderen, brauchte sie nicht einmal mit den Zähnen aus seiner Blase zu befreien. Er begann sofort kräftig zu saugen, als Ben ihn anlegte. »Definitiv ein Rüde«, sagte er.
Thea gab sich im Geist einen kleinen Stoß. »Ich glaube, wir brauchen noch Tee. Werden die anderen Welpen einen Augenblick ohne Lara zurechtkommen?«
»Oh ja, solange sie warm gehalten werden.«
Thea hatte einen von Rorys Pullovern zweckentfremdet, in den die kleinen Geschöpfe sich jetzt einwühlen konnten. Also ging es ihnen wohl gut.
Sie dachte über Ben nach, während sie den Berg von gebrauchten Teebeuteln auf einer Untertasse vergrößerte. Daran, wie er dem kleinen Welpen auf die Welt geholfen hatte. Er war so stark und trotzdem so sanft. Viele Frauen verliebten sich in ihre Tierärzte; sie verstand jetzt, warum. Wenn so ein Arzt der Katze, die man liebte, das Leben zurückgab, dann würde man ihn zum Dank für immer lieben. Als sie den Tee brachte, hatte er Lara bereits wieder an ihren Platz vor dem Feuer gelockt. »Wenn Sie ein paar alte Lappen oder so was für mich haben, werde ich jetzt anfangen, sauber zu machen.«
Er blickte zu ihr auf, und jetzt sah sie, wie dunkel seine Augen waren, dass in ihnen die gleiche Traurigkeit lauerte wie in Tobys Augen. Es musste wohl mit Lara und den Welpen zu tun haben,
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