Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
Was würden sie tun? Die Schultern zucken? Ihm sagen, dass er sich da raushalten soll?
    Schon wollte ich weitergehen, als Mayas Stimme ertönte: »Warte!« Ich drehte mich um, sah sie an.
    »Eventuell könnten wir jemanden brauchen. Vorübergehend.«
    »Wie schön, dass du Anschluss gefunden hast«, sagte meine Mutter an diesem Abend und wendete die Bratkartoffeln in der Pfanne. Die Frikadellen brutzelten auf der anderen Herdplatte.
    So was gab es bei Maya und Leonie und Vivian bestimmt nicht zu essen. Ihre Mütter waren alle hollywoodschlank und gingen regelmäßig ins Fitnessstudio. Das hatte ich bereits beobachtet, wenn sie ihre Töchter zur Schule brachten, trugen sie alle schon ihr Sport-Outfit.
    Ich betrachtete meine Mutter, wie sie in ihren H&M-Jeans und dem weiten T-Shirt vor dem Herd stand, eine karierte Schürze umgebunden, den Kochlöffel in der Hand. Ungeschminkt, das Haar mit den grauen Strähnen irgendwie nach hinten gebunden. Um den Bauch ein bisschen füllig. All das war mir früher nie aufgefallen. Ich fand immer, dass meine Mutter ziemlich jugendlich und sympathisch rüberkam. Doch jetzt fand ich sie alt und vernachlässigt. Ich hasste sie dafür. Und ich hasste mich dafür, dass ich sie so sah.
    »Ich passe aber nicht zu ihnen«, sagte ich.
    »Wieso nicht? Ihr macht zusammen Musik, was soll da noch mehr passen?«
    Sie verstand es nicht – oder wollte es nicht verstehen. »Die tragen keine Billigklamotten! Sondern Dolce und Hilfiger und all das Zeug!«
    Meine Mutter leckte den Finger ab, mit dem sie gerade eine Bratkartoffel probiert hatte. »Aber Liebling, davon hängt doch nicht dein Glück ab!«
    Doch!, wollte ich sagen, aber das würde sie nicht verstehen.
    Sie sah mir ernst in die Augen. Gleich würde sie mir eine Lebensweisheit offenbaren. Richtig!
    »Franziska, wenn es echte Freundinnen sind, dann ist es ihnen egal, was du trägst.«
    Da konnte ich mich nicht mehr zurückhalten!
    »Nein! Es ist nicht egal!«, rief ich. »Meine Sachen sind scheiße!« Dabei rupfte ich an meiner karierten Bluse rum, als wollte ich sie zerreißen. »Mach doch mal die Augen auf!« Ich packte den Plastikstuhl vom Baumarkt, vier Stück für nur fünfunddreißig Euro!, und schleuderte ihn gegen die Wand mit der »günstigen« Tapete. »Bei uns ist alles nur billig und hässlich! Sie wohnen in tollen Häusern, gehen segeln und reiten… Sie fahren in Urlaub und ihre Mütter gehen ins Fitnessstudio und tragen coole Klamotten!« Ich starrte auf das T-Shirt meiner Mutter und fand es UNMÖGLICH. »Warum… warum habt ihr es nur zu dieser blöden Tankstelle gebracht!«, schrie ich und wusste im selben Moment, wie gemein das war.
    Meine Mutter war blass geworden und ihre Lippen ganz schmal. Ich dachte, sie würde die Bratkartoffeln einfach gegen die Wand klatschen. Doch sie drehte sich nur um, machte die Herdplatten aus, gab zwei Frikadellen und Bratkartoffeln auf einen Teller und stellte ihn auf den Tisch.
    »Wenn du mehr willst, nimm dir, lass aber Papa noch was übrig«, sagte sie tonlos, band sich die Schürze ab und ging einfach aus der Küche. Ich hörte sie, wie sie die Treppen zum Schlafzimmer hinaufstieg.
    Vor mir dampfte das Essen, auf das ich mich gefreut hatte.
    Was hatte ich nur gesagt? Ohne etwas anzurühren, ging ich in mein Zimmer, legte mich aufs Bett und starrte ins Leere.
    Irgendwann hörte ich meinen Dad nach Hause kommen. Ich stülpte mir das Kissen über den Kopf, ich wollte kein Wort von dem hören, was meine Mutter ihm erzählen würde.
    Am nächsten Morgen erwartete ich zum Frühstück so was wie: »Dein Vater und ich haben uns überlegt, dass es besser ist, wenn du auf eine andere Schule gehst.«
    Aber da kam nichts. Sie waren nur ein bisschen niedergeschlagener als sonst. Vielleicht hätte ich mich entschuldigt, wenn sie die Sprache darauf gebracht hätten. Haben sie aber nicht. Und so wurde über das ganze Thema einfach nicht mehr gesprochen.
    Am nächsten Mittwoch war es so weit. Ich sollte sie im Coffeeshop, ihrem »Meetingpoint«, treffen, wo sie mir mitteilen würden, ob ich bei den Flings aufgenommen wäre.
    Eigentlich zweifelte ich nicht daran, denn sie brauchten definitiv eine Sängerin, aber sie hatten seit Montag nicht mit mir gesprochen und tuschelten nur albern miteinander, wenn sie mich sahen.
    Sie waren vor mir da. Lagerten in der Lounge-Ecke auf der kaffeebraunen Couch, Leonie saß in einem Sessel. Ich setzte mich auf einen Lederhocker.
    »Und?«, fragte ich, so cool ich konnte.

Weitere Kostenlose Bücher