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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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schüttelte den Kopf. »Hab nur keinen Hunger.«
    »Aber du hast heute Mittag schon kaum was gegessen.«
    »Ich war im Coffeeshop.« Das wollte ich ihr eigentlich nicht sagen, aber nun war es doch heraus. Aber na und? Sie wusste ja nicht, mit wem und weshalb.
    »Ach, mit deinen neuen Freundinnen?« Von wegen, sie weiß nicht, mit wem.
    »Hä?« Ich stellte mich dumm.
    »Na, Schätzchen, du hast dich doch bestimmt nicht allein ins Café gesetzt. Wie heißen sie noch? Maya, Vivian und… Leonie? Stimmt’s?« Sie lächelte stolz, dass sie sich die Namen gemerkt hatte – und sie wollte mir zeigen, dass sie nichts gegen meine neuen Freundinnen hatte.
    »Ich war allein«, log ich. Auf keinen Fall sollte sie Verdacht schöpfen, falls sie und Dad heute Nacht etwas bemerken sollten.
    Sie sah mir noch einen Moment in die Augen, wobei ich versuchte, ihrem Blick standzuhalten. Sie aß schweigend weiter, stand dann auf und begann abzuspülen. Ich schob den Teller weg, murmelte »Gute Nacht« und floh aus der Küche in mein Zimmer, wo ich mich aufs Bett warf.
    Diese verfluchte Mutprobe! Whisky stehlen und Auto fahren! Warum waren sie so gemein und verlangten so etwas von mir? Und warum war ich so blöd und machte es auch noch?
    Ich hatte Angst. Angst davor, bei etwas Verbotenem erwischt zu werden. Und es widerstrebte mir, meine Eltern zu hintergehen. Was würde ich sagen, wenn sie entdeckten, dass die Flaschen fehlten? Ich müsste sie anlügen. Wie, es fehlen Whiskyflaschen? Nein, keine Ahnung! Vielleicht hat sie ein Kunde genommen…?
    Ich muss es nur dieses eine Mal machen, sagte ich mir. Ein Mal und dann nie wieder. Was ist schon ein einziges Mal?
    Immer wieder ging ich in Gedanken die einzelnen Schritte durch.
    Ich müsste verdammt aufpassen, dass ich niemanden aufwecken würde – das hieß vor allem, dass ich den Motor nicht so laut aufheulen lassen dürfte. Doch dann sagte ich mir, dass in ein paar Stunden alles überstanden wäre. Ich würde den Whisky einfach ausspucken, wenn sie es nicht merkten, und um vier oder spätestens fünf Uhr morgens wäre ich wieder im Bett, das Auto zurück vor dem Haus und ich Mitglied und Sängerin von The Fling.
    Je öfter ich das Mantra runterbetete, umso fester glaubte ich daran.
    Um zehn Uhr schloss mein Vater die Tür und die Zapfsäulen.
    Meistens saß er dann noch im Wohnzimmer im Sessel und sah bis Mitternacht fern, während meine Mutter schon früher ins Bett ging und in einem historischen Roman las. Keine Ahnung, wie viele solcher Bücher sie schon verschlungen hat. Berge wahrscheinlich.
    Ich lag mit Jeans und Sweatshirt in meinem Bett im ersten Stock und starrte abwechselnd an die Decke und auf mein Handy.
    Um zwölf hörte ich, wie Dad den Fernseher ausschaltete und die Treppe heraufkam. Das Schlafzimmer meiner Eltern war von meinem durch das Badezimmer getrennt. Ich hörte, wie mein Vater sich die Zähne putzte, dann ging die Toilettenspülung und endlich wurde die Schlafzimmertür zugezogen.
    Ich wartete bis um eins, was eine unendlich lange Zeit war, schlug dann die Bettdecke zurück, zog meine warme Jacke an, obwohl es den ganzen Tag recht warm gewesen war, aber in der Nacht am See würde es sicher ziemlich feucht und kühl sein. Meine Sneakers und den leeren Rucksack nahm ich in die Hand und schlich, so lautlos ich konnte, die Treppe hinunter. Von der Kommode im Gang nahm ich Dads Autoschlüssel, der in einem Ledermäppchen steckte, und den Tankstellenschlüssel an dem grünen Shrek-Anhänger. Den hatte ich vor Jahren in einem Überraschungsei gehabt und Dad geschenkt. Erst vor der Tür zog ich die Schuhe an.
    Die Grillen zirpten, es roch nach Land: nach Blumen und frisch gemähtem Gras und Kühen. Die Laterne schräg gegenüber an der Bushaltestelle glomm schwach und milchig. In ihrem Lichtschein sah ich Falter und jede Menge Insekten herumschwirren. Feucht legte sich die Luft auf mein Gesicht. Es war dunkel, der Mond war nicht zu sehen. Auch von Maya, Vivian und Leonie keine Spur. Vielleicht hatten sie sich versteckt und beobachteten mich oder – vielleicht war alles nur ein Bluff! Sie wollten mich einfach ärgern und wissen, ob ich es wirklich tun würde!
    Ein Windhauch streifte mein Gesicht und ich hoffte, dass es nicht noch regnen würde. Vier Leute mit matschigen Schuhen im Auto… ich durfte gar nicht darüber nachdenken. Und hoffentlich würden meine Eltern tief und fest schlafen, bis ich wieder zurückkäme.
    Nun musste ich noch den Whisky besorgen. Zum Glück

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