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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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fährt eigentlich immer mal ein Ausflugsboot vorbei. Meine Kehle wird eng. Ich schlucke, doch davon wird es nicht besser.
    »Bist du sicher, dass wir weitergehen sollen?« Leonie ist stehen geblieben und sieht mich besorgt an.
    Über uns fliegt eine schwarze Krähe hinweg. Ich zucke zusammen.
    »Ja, klar«, behaupte ich mit lauter Stimme. Mut vortäuschend schreite ich voran. Ich muss das jetzt durchziehen. Wie oft habe ich im Gefängnis davon geträumt, zum Bootshaus zurückzugehen. Es mir noch einmal genau anzusehen. In Ruhe. Sicher, ich war mit der Polizei dort, aber das fühlte sich anders an.
    Das dunkle Bootshaus taucht hinter den grünen Blättern der Bäume vor uns auf. In meinen Träumen war es schwarz und riesig und Furcht einflößend. Jetzt hat es ein wenig von seiner Bedrohlichkeit verloren. Ich sage mir, dass es einfach nur ein Bootshaus ist, ein alter Schuppen aus verwittertem Holz, auf dessen Dach ein paar Schindeln fehlen. Ein Bootshaus, in dem der örtliche Rettungsschwimmerverein seine Ruderboote und Schwimmreifen aufbewahrt und wo die Rettungsschwimmer und ihre Freunde an den Wochenenden grillen, sich sonnen und baden gehen.
    Doch ich weiß, dass das nur die eine Hälfte der Wahrheit ist. Die andere ist: Hier, in diesem Bootshaus, habe ich Maurice umgebracht.
    Außer uns beiden ist niemand da, wie meistens unter der Woche. Die Sonne steht noch eine gute Handbreit über dem Giebel, halb vier ist es auf meiner Uhr. Ich bin erleichtert, dass es nicht Nacht ist, wie damals.
    Eine Weile stehe ich einfach davor, bis Leonie sagt: »Und, erinnerst du dich an was?«

12
    Vergangenheit
    Niemand wusste, wer zum ersten Mal auf die Idee gekommen war. Später behaupteten die Stufensprecher, es sei während einer Sitzung aufgekommen. Ist ja auch egal. Jedenfalls war es seit Jahren Brauch, am Ende des Schuljahres eine Party am Seeufer zu feiern, zu der alle Schüler ab der zehnten Klasse kommen durften. Natürlich durfte offiziell kein Alkohol getrunken und auch nicht geraucht werden, aber nachts – oder vielmehr morgens um zwei oder drei – waren die Grüppchen so verstreut, dass niemand mehr kontrollieren konnte, was wirklich geschah. Da kamen Jungs aus dem Ort, die gar nicht ins Augustinus gingen, da wurde gekifft und getanzt und getrunken und am nächsten Morgen wusste man nicht mehr, wieso man immer noch da auf einer Decke unter einem Baum lag. Ich fand das Ganze schrecklich aufregend, denn zum ersten Mal durften wir mitmachen. Vivian, Maya und Leonie allerdings waren auch im letzten Jahr schon dabei gewesen. Heimlich natürlich, erklärte mir Leonie und fügte vertraulich hinzu: »Maurice wollte unbedingt mit mir einen Joint rauchen. Aber eigentlich wollte er mich küssen.« Sie zuckte die Schultern und es klang, als bedeutete es ihr nichts.
    Nach der Zehnten gingen einige von der Schule ab und für sie war es ein wirklicher Abschluss, während es für uns andere der Beginn der großen Ferien sein würde.
    Schon Wochen vorher redeten wir ständig von der Party. Wir, The Fling, würden auftreten. Es gab einiges, worum wir uns kümmern mussten. Wir brauchten eine Stromversorgung, einen Generator, eine Bühne – und natürlich auch eine Genehmigung. Jeder aus der Klasse würde etwas zu essen und zu trinken mitbringen. Eine offizielle Tasche – und eine inoffizielle mit den verbotenen Dingen.
    Nach unserem ersten Auftritt versuchte ich, Maurice aus dem Weg zu gehen. Ich wollte einfach nicht mit Leonie in Konflikt geraten. Aber zwei Tage vor der Party ließ sich ein Zusammentreffen nicht vermeiden.
    »Franziska!«, rief er mir hinterher.
    Für einen Augenblick wollte ich weitergehen, so tun, als hätte ich nichts gehört, doch meine Beine blieben einfach stehen.
    Ich drehte mich um. »Ach, hallo, Maurice. Ich hab gerade gar keine Zeit, aber…«
    Doch da war er schon bei mir. »Ich wollte ein paarmal mit dir reden. Aber du warst immer ganz schnell weg.«
    »Ach ja, im Moment ist viel los. Wir müssen für die Sommerparty üben und außerdem…« Ich weiß nicht, was ich noch alles geschwafelt hätte, wenn er mich nicht unterbrochen und gesagt hätte: »Ich hab das ernst gemeint, letztes Mal nach eurem Auftritt.«
    Was, überlegte ich, hat er ernst gemeint? Nach dem Zusammenstoß mit Leonie hatte ich mir verboten, mich an die Begegnung zu erinnern. Immer, wenn ich daran dachte, habe ich mir gesagt, dass Leonie insgeheim doch mit ihm zusammen sein will.
    »Äh, und was meinst du genau?« Es klang ziemlich

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