Sommernachtsschrei
haben?«, unterbreche ich ihn grob und muss mich zusammenreißen, um nicht laut zu werden.
Er zuckt die Schultern. »Vielleicht stammen sie ja vom Mörder? Oder von einem Zeugen, der nicht aussagen will. Na ja, man hätte sie wenigstens untersuchen müssen.«
»Und was hat man davon, wenn man die DNA untersucht? Womit soll man sie vergleichen? Mit der von allen Einwohnern Kindings?« Meine Stimme hat nichts an Schärfe verloren, doch Benjamin scheint es nicht zu merken.
Er grinst ein wenig und hebt die Brauen. »Warum nicht? Man kann bestimmt Einschränkungen machen. Zum Beispiel ob die DNA von einem Mann oder einer Frau ist.«
»Ja, klar«, sage ich wenig enthusiastisch.
»Außerdem gab’s ja wohl ziemliche Auseinandersetzungen zwischen dem Opfer und seinem Bruder.«
»Maurice und Claude?«, platze ich heraus, worauf er mich erstaunt ansieht. »Waren Freunde von einer… einer Freundin«, erkläre ich rasch.
»Ach so«, er nickt. »Ja, Familienstreitigkeiten. Claude sollte wohl nicht mehr die Firma übernehmen.«
»Was hat das mit dem… mit dem Tod von Maurice zu tun?«
»Weiß nicht, aber das ist doch alles merkwürdig. Ein Mädchen verliebt sich in einen Typen und dann erschlägt sie ihn. Auch noch mit einem Ruder…« Er schüttelt den Kopf. »Da muss sie aber einen triftigen Grund gehabt haben.«
Ich zucke die Schultern, um möglichst unbetroffen zu wirken. »Soll sie nicht auch Alkohol und Drogen genommen haben?«
»Ja, schon, aber… trotzdem. Ich hab mal ein bisschen im Leben von diesem Claude rumgestochert. Besonders friedlich war der wohl noch nie gewesen. Er hatte mal eine ziemlich üble Schlägerei mit einem anderen Schläger hier.«
»Mit wem?«
»Franz Niederreiter. Kennst du den?«
»Wer kennt ihn nicht?« Er wird mir immer unheimlicher. Was weiß er alles? Weiß er, wer ich bin? »Dir muss ja ziemlich langweilig in Prien sein.«
Er lächelt kurz. »Na ja. Ich glaube, es ist eher dieser Fall. Der beschäftigt mich irgendwie. Ich frage mich, wie man damit klarkommt, jemanden umgebracht zu haben.«
Der Kloß in meinem Hals meldet sich wieder. Ich warte darauf, dass er weiterspricht. Doch er ist in den Anblick seiner Tasse vertieft.
»Und«, frage ich schließlich. »Wie lebt man damit?«
Seufzend schüttelt er den Kopf. »Keine Ahnung. Am schlimmsten ist es bestimmt, wenn man es gar nicht wollte. Wenn es passiert ist, weil man besoffen oder bekifft oder einfach wahnsinnig wütend war.«
Ich muss gleich gehen, ich halte das nicht mehr aus. »Und was hast du noch über diesen Claude rausgekriegt?«, frage ich dann doch noch.
Er zögert. »Ich kann dir das nicht sagen. Das wäre üble Nachrede oder so was.«
»Meinst du, ich geh zur Zeitung und verrate es? Oder ich fang an, ihn zu erpressen?« Ich versuche ein Lachen.
Sein Blick ist skeptisch. Er weiß nicht so recht, wie er meinen Humor einschätzen soll. Versteh ich, ich wundere mich manchmal über mich selbst, was ich so rede.
»Also?«, fragend sehe ich ihn an. Endlich öffnet er den Mund.
»Er hatte eine Affäre mit der Ehefrau eines Mitarbeiters aus dem Bauamt in Prien. Das ist so was wie geschäftlicher Selbstmord als angehender Bauunternehmer. Außerdem: Kokain. Gras. Ecstasy. Alkohol. Jedenfalls noch bis vor Kurzem. Angeblich macht er inzwischen ein bisschen langsamer mit dem Zeug. Aber«, er schüttelt den Kopf, »mit seinem Bruder hat er sich wohl damals nicht besonders gut verstanden. Der war Dads Liebling, vor allem als dieser von der Affäre gehört hat. Er wollte Claude tatsächlich enterben. Und aus der Baufirma, in der er schon ein bisschen mitmischte, hat ihn sein Vater gleich rausgeschmissen. Maurice sollte ab sofort alles übernehmen.« Er beugt sich vor und sagt leise: »Aber jetzt kommt das Beste: Claude hatte ein Alibi. Er war bei seinen Eltern.«
Und, will ich sagen, doch ich bringe nichts raus.
»Aber nur bis elf Uhr abends. Dann ist er nämlich gegangen, und zwar zur Sommerparty.«
»Woher willst du das wissen?«, frage ich.
»Ein Zeitungstyp wie ich hat überall seine Quellen!« Er grinst. »Im Ernst: Von einem Typen, der ihm öfter was verkauft hat. Gras und so. Der war auch auf der Party.«
»Und warum sollte der jetzt die Wahrheit sagen?«
Er beugt sich noch ein bisschen weiter über den Tisch. »Also, ich stell mir das so vor«, sagt er mit gesenkter Stimme, »die Eltern schützen Claude. Denn jetzt haben sie ja nur noch einen Sohn. Und der Dealer geht bestimmt nicht zur Polizei und steckt denen
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