Sommernachtszauber
okidoki.« Joss lächelte und bemerkte leicht erschrocken, dass sie gerade, wie Freddo auch, ihren Keks in den Kaffee eintunkte. Eintunken war bei Marvin streng verboten. »Ja, danke. Vielen, vielen Dank.«
»Nein, Schätzchen, ich danke dir !« Freddo gluckste mit einem Mund voller Schokokrümel. »Und weißt du was – ich könnte deinen Marvin ja einladen, mal herzukommen, damit er mich kennen lernt, sich das Büro anschaut, merkt, dass ich kein Mafioso bin, und er sich über die Sache keinen Kopf machen muss.«
»Ach nein – lieber nicht«, sagte Joss rasch, denn sie wusste genau, wie Marvin auf den goldhaarigen und mit Klunkern behängten Freddo im rosa Hemd reagieren würde. »Nein, ich werde es ihm erklären – es wird schon gehen, ganz bestimmt.«
»Ist wohl einer von der eifersüchtigen Sorte?« Freddo lächelte sie warmherzig an. »Mit starkem Beschützerinstinkt?«
Joss überlegte einen Moment. »Beschützerinstinkt? Ich weiß nicht … Nein, ich glaube kaum. Vor vielen Jahren vielleicht, aber jetzt nicht mehr. Und eifersüchtig? Nicht die Spur.«
»Dann muss er verrückt sein«, gluckste Freddo. »Auf eine Frau wie dich wär doch jeder Mann stolz wie ein Schneekönig, Schätzchen! Lass dir da von deinem Marvin bloß nichts anderes einreden.«
Joss lächelte. »Danke – ich glaube … ich bin an Komplimente nicht gewöhnt. Ist schon komisch, da beginnt man ein gemeinsames Leben und meint, es wäre immer alles eitel Sonnenschein …« Sie brach ab. »Nein, entschuldige! Ich will dich nicht mit meinen persönlichen Sorgen belasten.«
»Kein Problem.« Freddo reichte ihr noch einen Keks. »Meine Frau hat mich schon vor Jahren verlassen. Ist mit einem meiner Klienten durchgebrannt – einem windigen Zauberkünstler, kannst du dir das vorstellen? Jetzt steht sie in Strumpfhosen und Paillettenkostüm auf den Bühnen schmieriger Clubs und schaut zu, wie er Kaninchen aus dem Hut zieht. Wollte ein bisschen mehr Spannung und Abenteuer im Leben, hat sie gesagt. Sie hatte sich schon immer gewünscht, im Rampenlicht zu stehen.«
Joss biss sich auf die Lippen. »Oh, das tut mir leid. Vermisst du sie?«
»Jetzt nicht mehr, Schätzchen – aber ich vermisse seine Provision in Höhe von fünfzehn Prozent aller Einnahmen.«
Gemeinsam kicherten sie.
Nachdem sie mit Kaffee und Keksen fertig waren, füllte Joss ein Bewerbungsformular aus, und Freddo gab ihr eine kurze Einführung ins Geschäftliche. Seine Künstleragentur, erklärte er, vertrat in Wirklichkeit keinen der Stars, die auf den Postern abgebildet waren, das war nur zur Schau, aber er hatte eine dicke Kundenkartei, und seine Agentur war nicht nur solvent, sondern gedieh sogar außerordentlich gut.
Joss beglückwünschte sich und konnte es immer noch kaum fassen. Auch fand sie es ganz unglaublich, dass sie gar nicht nervös geworden oder an irgendeinem Punkt mal ins Stottern gekommen war. Lag es wirklich an der Aromatherapie, dass sie so gelassen und selbstsicher aufgetreten war? Wie auch immer, sie würde Sukie für ihre Unterstützung ein dickes Dankeschön-Geschenk kaufen.
»So«, sagte Freddo, als der erste Rundgang beendet war, »sagt dir das zu, Schätzchen? Hast du Lust, dich hier reinzuknien?«
»O ja, bitte.« Joss brannte schon darauf, das Ablagesystem auf Vordermann zu bringen, das Durcheinander in den beiden Büroräumen zu ordnen und die Remington-Schreibmaschine unter die Finger zu bekommen. »Äh – wann soll ich denn anfangen?«
»Am besten jetzt gleich«, grinste Freddo. »Nein, im Ernst – wie wäre es mit Montag in einer Woche? Da hättest du zehn Tage Zeit, um die Sache mit deinem Mann zu klären, und ich könnte währenddessen zumindest das allergröbste Chaos hier bereinigen, damit du nicht abgeschreckt wirst, bevor du überhaupt angefangen hast.«
»Sehr schön.« Joss nickte. »Und in der Zwischenzeit frage ich Topsy, ob du dir die Cancan-Truppe mal ansehen kannst, soll ich?«
»Wenn es sich machen lässt, Schätzchen. Danke. Nimm doch eine meiner Visitenkarten mit meiner Handynummer. Dann kannst du mich anklingeln und auf dem Laufenden halten, okay?«
Joss steckte die rosa-goldene Karte mit der Aufschrift »Retro – Musik & Theater« in ihre Handtasche. »Ich habe kein Handy, aber meine Telefonnummer und Adresse stehen auf dem Formular. Ist es dir wirklich lieber, dass ich bei Topsy anfrage? Möchtest du das nicht selbst machen?«
Freddo grinste. »Betrachte es als erste Berufserfahrung. Nein, da du mit dem
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