Sommernachtszauber
und auch keine sündhaft teure Taxifahrt durch halb Berkshire unternehmen müsste. Dann hatte sie sich von Anneka und Marvin verabschiedet und war so mutig und glücklich gewesen, dass es ihr gelungen war, den Weg nach Paddington selbstständig mit der U-Bahn zurückzulegen.
Und jetzt, dachte sie und lächelte die beiden gegenübersitzenden Frauen, die offenbar von einem Einkaufsbummel kamen, verträumt an, würde sie nach Hause fahren und Val zum Abendessen einladen – zusammen mit ihrem großen, gammeligen Ehemann – und zur Feier des Tages würde es Fisch und Chips aus Papiertüten geben, dazu billigen Wein und laute Musik.
Sie lächelte immer noch, als sie in Reading aus der Bahnhofshalle in die warme Spätnachmittagssonne hinaustrat. Was für ein wunderbarer Abend, um ein neues Leben zu beginnen …
»Joss!« Valerie Pridmore drängte sich durch die Massen ankommender und abreisender Passagiere auf sie zu. »Hier entlang, Süße! Wir haben einen Parkplatz gefunden!«
Joss strahlte, und sie umarmten einander. Während sie gleichzeitig über die wundersamen Ereignisse in Battersea drauflosschwätzten, fragte Joss sich kurz, in welchem der illegalen Autos von Vals Sprösslingen sie wohl nach Hause kutschiert werden würde – aber es kümmerte sie nicht. Hauptsache, sie kam nach Hause – in ihr Heim … Wenn sie ihren ersten Lohn bekommen hätte, würde sie die Zimmerwände in leuchtenden Farben streichen und Teppiche und Kissen kaufen und große prächtige Pflanzen für den Garten und …
Abrupt blieb sie stehen.
Der rosa Cadillac sorgte für einigen Wirbel, und Freddo, in Jeans und Lederjacke, mit Klunkern behängt, nicht minder.
Mit Freudentränen in den Augen sah Joss die lachende Val kopfschüttelnd an.
»Waren keine großen Überredungskünste nötig«, gluckste sie. »Glaub mir, als ich ihm erzählt hab, was los ist, wär er am liebsten den ganzen weiten Weg nach London gefahren, um dich abzuholen. Ich hab ihn begleitet – auch wenn ich weiß, dass bei dreien einer überflüssig ist, aber wann krieg ich sonst schon mal Gelegenheit, in so einem Schlitten zu fahren?«
Joss umarmte sie ganz fest, bedankte sich flüsternd und sagte, sie sei die beste Freundin auf der ganzen Welt.
Kaum hatte Freddo die beiden erspäht, sprang er aus dem Wagen und rannte durch die Menschenmenge auf sie zu. Mit einem Freudenjuchzer hob er Joss hoch und wirbelte sie herum, und dann küsste er sie. Und sie küsste ihn. Und es war einfach unbeschreiblich.
»Willkommen daheim, Joss, Schätzchen«, sagte er sanft, drückte sie fest an sich und sah sie mit bedingungsloser Liebe an. »Willkommen daheim!«
24. Kapitel
E s ist schon fast so wie an einem richtigen Sommerabend.« Milla streckte ihre langen nackten Beine unter dem eleganten Leinenkleid aus. »Genau das Richtige für mich, nach einer Woche voller Konferenzen und hektischer Käufe und Verkäufe: Entspannung in einem friedlichen Garten. Für April ist es wunderbar warm. Ich bin eindeutig kein Wintermensch.«
»Ich auch nicht.« In Jeans und T-Shirt weniger elegant gekleidet, sank Sukie Milla gegenüber in den wackeligen Korbstuhl und hob ihr Glas mit Chardonnay. »Auf den Maifeiertag morgen – und einen wonnigen Wonnemonat.«
Sie ließen die Gläser erklingen und kicherten, denn sie waren schon bei der zweiten Flasche.
Der Garten von Pixies Laughter kam nun in seiner Schönheit voll zur Geltung. Wild wuchernder Jasmin, Geißblatt und Clematis umrankten grün überdachte Lauben, und in allen Ecken und Winkeln lagen pfirsich- und fliederfarbene Blütenblätter verstreut. Hier war man in einer abgeschiedenen grünen Oase, fern von der Welt.
»Am ersten Mai«, Milla zündete sich eine Zigarette an und blies Rauch über den Tisch, »haben Bo-Bo und ich immer -« Sie brach ab.
»Erzähl weiter!«
»Nein, ist ja blöd.«
»Sprich darüber, Milla – wenn es dir hilft.«
»Da hilft gar nichts, Sukie. Der Mistkerl hat mich sitzen lassen und ist spurlos verschwunden – da kann man nichts machen. Aber ich erinnere mich noch immer an jede alberne Kleinigkeit.«
»Was habt ihr denn am ersten Mai gemacht? Etwas Besonderes?«
»Ziemlich.« Milla nickte verträumt. »Wir sind im Morgengrauen nach Oxford gefahren, um den Sonnenaufgang zu beobachten. Nachdem wir die ganze Nacht gefeiert hatten, standen wir mit Unmengen anderer Leute auf der Magdalen Bridge , haben dem Chor gelauscht – der Gesang klang so himmlisch, dass man eine Gänsehaut bekam – und den Morgen
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