Sommernachtszauber
schläfrig, als Sukie wieder aus der Hintertür trat. »Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr wieder und lässt mich hier sitzen, wie gewisse andere Leute. Oh, was ist das? Etwas Feines zu trinken?«
Sukie setzte sich hin und stellte das Fläschchen auf den Tisch.
»Nein, das gehört zum Spiel.«
»Super!« Milla beugte sich vor und schob sich das blonde Haar hinter die Ohren. »Sollen wir die Flasche auf der Stirn balancieren und dabei Shakespeare zitieren oder so was?«
Sukie runzelte die Stirn. »Was für komische Partyspiele kennst du denn? Nein, so kompliziert ist es nicht. Das hier«, sie holte tief Luft, »ist ein Liebestrank.«
»Ist ja spitze!« Milla kreischte vor Lachen. »Das wird ja immer besser! Schieß los, Sukie – was müssen wir tun?«
»Du machst dasselbe wie vorhin. Denk an den einen Mann, den du aufrichtig und wahrhaft von ganzem Herzen liebst und mit dem du dein Leben teilen willst. Aber sag nichts. Verrat mir nicht seinen Namen. Denk bloß an ihn und stell dir vor, du wärst in einer ganz besonders romantischen Situation mit ihm zusammen.«
»Gut, das ist ja nicht weiter schwer. Und was machst du?«
»Ich«, antwortete Sukie, schüttelte das Fläschchen und öffnete den Verschluss, »gebe nur ein paar Tropfen von dieser Tinktur auf dein linkes Handgelenk und massiere sie ein, damit der Liebeszauber direkt zu deinem Herzen gelangt, während du in Gedanken der Liebe deines Lebens in die Arme fällst.«
Milla legte folgsam den linken Arm mit dem Handgelenk nach oben auf den kippeligen Tisch. »Das muss ich auf der nächsten Vorstandssitzung erzählen. Solche Anekdoten lockern die Atmosphäre immer so schön auf … ach nein, entschuldige, ich mach jetzt die Augen zu und träume von -«
»Nicht sagen!«
»Stimmt ja, tut mir leid. Also los. Ich bin bereit …«
Mit klopfendem Herzen und trockenem Mund tröpfelte Sukie die Tinktur auf Millas schlankes Handgelenk und verrieb sie sanft am Pulspunkt unterhalb des Daumens.
So. Nun war es geschehen. Nicht mehr rückgängig zu machen. Und wenn sich die Dinge nicht so entwickelten, wie sie es sich wünschte, dann war es doch allemal besser, Bescheid zu wissen, anstatt weiterhin auf das Unmögliche zu hoffen.
»War das alles?« Milla öffnete die Augen und schnupperte an ihrem Handgelenk. »Also Sukie, ich hab ja keine Ahnung, was da drin ist, aber damit könntest du direkt Chanel Konkurrenz machen! Ein herrlicher Duft! So, und wie geht es jetzt weiter?«
Sukie lächelte. »Nun, jetzt warten wir einfach mal ab, was passiert.«
Und wenn es so lief wie mit Chelsea und Nicky Hambly, geschähe vorerst rein gar nichts.
Plötzlich quietschte in der stillen Dämmerung das Gartentor, und beide fuhren herum.
»Hallo!« Derry grinste sie an. »Ich hoffe, ihr habt noch Wein übrig. Ich brauche unbedingt was zu trinken.«
Sukie rappelte sich mühsam hoch, denn sie wusste, dass sie sich anderenfalls gleich ganz fürchterlich danebenbenehmen würde. »Äh, ich hol noch ein Glas und eine Flasche. Ach ja, und auch was zum Knabbern. Bleibt ihr nur hier – ich hatte sowieso schon mehr als genug.«
Hinter den dummen Tränen verschwamm alles vor ihren Augen, und sie wankte in die Küche.
Eine halbe Stunde später fand sie im Barmy Cow nur dürftigen Trost. Sukie kauerte auf einem Hochstuhl an der Ecke der Bar vor einem unberührten Glas Shandy und sah unglücklich zu, wie die anderen Gäste um sie herum lachten und schwatzten, als wären sie viele Meilen entfernt. An diesem warmen Abend lag selbst im grauen Mief des Pubs ein Hauch von Frühling, und sogar der Staub schien ein wenig zu glitzern.
Weil sie es in Pixies Laughter nicht mehr ausgehalten hatte, während Milla und Derry im Garten ihre glückliche Zukunft planten, hatte sie so bald wie möglich die Flucht ergriffen und war in der Dämmerung durchs Dorf gelaufen, in der Hoffnung, sie würde Chelsea, die sie übers Handy nicht erreicht hatte, vielleicht im Pub antreffen.
Da war sie aber nicht.
Doch so gut wie alle anderen waren da, und die vier Berkeley-Boys wuselten wie die Derwische hinterm Tresen herum, während Topsy, Edie und Rita am Ecktisch beisammensaßen und ihnen so begeistert zusahen wie Groupies ihrer Lieblingsband.
An einem lauen Abend wie diesem trieb es die Bewohner von Bagley-cum-Russet mit Macht aus den Häusern. Zudem war morgen ein Feiertag, sodass niemand früh zu Bett musste … Sukie hätte am liebsten in ihr Shandy geweint. Mit diesem Fern-Liebeszauber hatte sie
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