Sommerprickeln
unwiderstehlich fanden. Und trug er da einen kleinen goldenen Ring im linken Ohr? Was hatten die Weiber bloß immer mit Musikern? Warum verliebten sie sich immer in diese kaputten Kerle?
Mason schüttelte den Kopf und las weiter in Vonciles Dokument.
Hmm. Matthew Shane Drummond, 32. Ha! Er war jünger als Annajane. Die Männer konnten ihr wohl nicht jung genug sein. Geboren in Gastonia, ein Bachelor in Englisch an der Middle Tennessee State University. In den letzten Jahren hatte er sich in ganz Amerika herumgetrieben, als Barkeeper und Lkw-Fahrer gearbeitet, aber seinen Lebensunterhalt zum größten Teil mit Auftritten in Countrymusik-Lokalen verdient.
Soweit Mason das beurteilen konnte, hatte Annajanes Verlobter seine jetzige Band Dandelion Wine 2008 gegründet. Er fand einen kurzen Bericht über die Gruppe in einer unbedeutenden Musikzeitschrift, es ging um einen Vertrag mit einem Label aus Nashville, von dem Mason sogar schon mal gehört hatte. Na, und? Bedeutete das etwa, dass dieser Typ der neue Kenny Rogers war? Mason bezweifelte es ernsthaft.
Der Kerl hatte ein Auto, einen Dodge Aerostar von 1999, außerdem ein Haus, das offenbar in einer eher ländlichen Gegend außerhalb von Atlanta lag und aus Steuergründen mit 82700 Dollar bewertet worden war.
Ende des Berichts. Mason kratzte sich am Kinn und dachte nach. Nichts Schlimmes dabei. Der Junge war kein Plattenmogul, aber er war offenbar auch kein mittelloser Penner. Er besaß einen alten Van, mit dem er wahrscheinlich zu den Auftritten der Band fuhr. Er hatte ein eigenes Haus. Es war keine Villa, aber genauso wenig ein windschiefer Schuppen.
Mit düsterem Gesicht schloss Mason die Datei. Nichts von Interesse darin. Annajane führte ihr eigenes Leben. Wenn sie einen streunenden Banjospieler heiraten und den Rest ihres Lebens in einer Holzhütte an einer unbefestigten Straße leben wollte, wenn sie in dem klapprigen Van mit ihm durch die Gegend fahren wollte, dann war das ihr gutes Recht.
Die Frage, die an Mason nagte, seitdem er seine Exfrau am Abend abgesetzt hatte, lautete: Warum? Warum Shane Drummond? Warum Atlanta? Warum jetzt?
Und, noch wichtiger: Warum machte ihm das so viel aus?
12
Mit einem Seufzer öffnete Annajane die Tür zu ihrer Wohnung. Sie hasste das Chaos, in dem sie lebte. Halb gepackte Kartons standen auf dem Boden und nahmen fast das gesamte Wohnzimmer ein. In ihrer Spüle stapelte sich dreckiges Geschirr, in ihrem Schlafzimmer flogen Klamotten herum. Das sah ihr gar nicht ähnlich. Eigentlich war sie ein ordentlicher Mensch. Ihr war bloß langsam die Kontrolle entglitten. Sie schlängelte sich an den Kartons vorbei und ging ins Badezimmer, wo sie sich auszog und außer ihrem Armband alles in den Müll warf.
Als sie aus der Dusche stieg, wickelte sie sich in ein großes Badehandtuch, schob einen Stapel ungefalteter Wäsche beiseite und ließ sich aufs Bett fallen. Ihr Kopf tat immer noch weh. Sie war müde und sorgte sich um Sophie. Aber noch mehr sorgte sie sich um ihre eigenen verkorksten Gefühle.
Wie konnte das geschehen? Wie konnte sie sich bloß wieder in Mason Bayless verlieben? Und was konnte sie dagegen tun?
Vergiss es. Vergiss ihn, beschwor sie sich. Denk an Shane. An dein neues Leben. Und sieh zu, dass du rauskommst aus Passcoe.
Sie wollte diesen klaren Schnitt machen. Am Ende der Woche würde sie mit dem Packen fertig sein und alle Kisten in den gemieteten Lkw laden. Am nächsten Samstag würde sie in ihr eigenes Apartment in Atlanta gezogen sein. Sie würde mit Shane zusammen sein, der gut und aufrichtig war und sie ohne Vorbehalt liebte.
Und ich liebe Shane auch, dachte sie grimmig . Wirklich. Ich liebe ihn wirklich. Shane ist meine Zukunft.
Am Montag nach dem Umzug würde sie ihren ersten Arbeitstag in der Agentur antreten. Sie würde so beschäftigt sein, dass sie keine Zeit hätte, daran zu denken, was sie in Passcoe zurückgelassen hatte.
In dem Durcheinander von Kleidung auf ihrem Bett entdeckte Annajane ein sauberes T-Shirt und eine Jeans. Sie zog sich an und machte sich an die Arbeit.
Drei Stunden lang arbeitete sie fieberhaft, packte weitere Habseligkeiten ihres Lebens ein. Je schneller sie damit fertig war, desto eher würde sie Passcoe und die Bayless-Familie im Rückspiegel sehen.
Beim Packen gab sie jeden Anschein von Ordnung oder Organisation auf. Als sie die Küchenschränke leerte, packte sie die Gewürze zu den Tellern, das Kochgeschirr zu den Kochbüchern.
Es bereitete ihr eine grimmige
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