Sommerprickeln
machten?«
»Diese Bands, Madam, sind Rockklassiker«, erklärte Mason. »Absolut zeitlos.«
Sie hielt eine Kassette in einer violetten Hülle hoch. »John Denver ? Echt?«
Er riss ihr das Band aus der Hand und verstaute es unter seinem Sitz. »Die ist von Sophie. Hat ihn, meine ich, in einer Wiederholung der Sesamstraße gesehen.«
Annajane lachte. »Kann ich ihr nicht übelnehmen. Komm, gib sie zurück! Der Abend heute ist perfekt für John Denver. Vielleicht Sunshine on My Shoulder . Oder Rocky Mountain High ?«
»Nichts da.« Mason schüttelte den Kopf. »Du hast mir wehgetan. Tut mir leid, aber du musst dir jetzt deine eigene Musik suchen.«
Unentschlossen musterte Annajane die Tapes und hob zwischendurch den Kopf, um die grüne Landschaft vorbeisausen zu sehen.
»Später vielleicht«, sagte sie, warf den Kopf zurück und genoss es, wie ihr der Wind durchs Haar peitschte.
Doch sie konnte ihre Neugier nicht unterdrücken, wollte erfahren, was zu Masons unerwartetem Besuch geführt hatte. Und sie wollte unbedingt wissen, was zwischen den glücklichen Verlobten geschehen war. Sie warf Mason einen verstohlenen Blick zu. Er wirkte so glücklich und entspannt, so frei, wie sie ihn seit Jahren nicht mehr erlebt hatte.
»Was ist zwischen dir und Celia vorgefallen? Nicht dass mich das was angeht …«
Mason zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nichts Schlimmes. Sie war sauer, weil ich spät Mittag gegessen hatte, dann war sie sauer, weil ich ein Weinglas kaputtgemacht habe, das wir zur Hochzeit bekommen haben. Ich habe wohl ihre Pläne für einen netten Abend zu zweit durchkreuzt.«
»Wo ist sie jetzt?«
Er lachte. »Bei meiner Mutter. Ihre Tante hatte irgendeinen Anfall, und du kennst ja Sallie. Sie ist nicht gerade die geborene Krankenschwester. Sie rief Celia an und beorderte sie herbei, und Celia gehorchte natürlich.«
»Niemand, nicht mal Celia, ignoriert eine Order von Sallie Bayless«, stimmte Annajane zu.
Mason lachte. Er hatte vergessen, wie problemlos der Umgang mit Annajane war. Locker. Bei ihr gab es keine Vorwände, keine unterschwelligen Botschaften. Sie war so offen und ehrlich wie … er wusste es nicht. Einfach unkompliziert, mehr nicht.
Wie um alles in der Welt war es bloß so schnell so kompliziert mit Celia geworden? Wenn sie in letzter Zeit zusammen waren, hatte Mason das Gefühl, er trete von einem Fettnäpfchen ins nächste.
»Darf ich dich was fragen?«, begann er. »Findest du, dass ich Sophie verwöhne?«
Wow, dachte Annajane. Wo kam das denn jetzt her?
»Verwöhnen?«, wiederholte sie, um Zeit zu gewinnen. »Weiß ich nicht. Ich glaube nicht, aber ich bin ja wohl voreingenommen. Sophie ist … was Besonderes, oder? Sie war so winzig klein und so hilflos, als du sie nach Hause brachtest, da könnten vielleicht manche sagen, du hättest es ein wenig übertrieben. Aber sie ist schließlich deine Tochter! Und sie ist das süßeste, klügste, liebenswerteste Mädchen der Welt. Sie verlangt doch gar nicht viel. Und es ist nicht so, als würde sie mit dir spielen oder dich manipulieren.«
Mason nickte nachdenklich, und Annajane holte tief Luft und stellte selbst eine Frage.
»Meint Celia, Sophie wäre verwöhnt?«
»Sie findet, ich sollte strenger mit ihr sein«, antwortete Mason. »Sophie war etwas unhöflich zu Celia, heute im Krankenhaus. Also, sie hat sich die Bettdecke über den Kopf gezogen, nicht mit ihr gesprochen, solche Sachen. Kinderkram eigentlich. Aber Celia hat es sich zu Herzen genommen.«
Annajane war versucht, eine neunmalkluge Bemerkung über böse Stiefmütter zu machen. Doch irgendetwas hielt sie zurück.
Sophie ist erst fünf, aber sie ist kein Dummkopf. Sie hat gemerkt, dass Celia sie kaufen wollte. Und sie merkt, wenn jemand falsch ist, auch wenn ihr ahnungsloser Vater das nicht durchschaut. Sei vorsichtig! Denk nach, bevor du den Mund aufmachst!
»Tja«, sagte Annajane schließlich. »Disziplin, Regeln und Höflichkeit muss jedes Kind lernen. Aber es ist nicht Sophies Art, unhöflich zu sein. Vielleicht musst du zusammen mit Celia daran arbeiten.«
Mason nickte. »Ja, das ist wohl so. Ich sollte einfach nicht so empfindlich sein, oder? Egal, der Abend ist viel zu schön, um sich über so was den Kopf zu zerbrechen. Wir schaffen das schon. Irgendwann.«
Hoffentlich nicht , dachte Annajane.
18
An der Abzweigung zur alten Farm lenkte Mason den Wagen vorsichtig auf den Schotterweg. In dem alten weiß gestrichenen Bauernhaus brannte Licht, ein
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