Sommerrot
Meine braunen langen Haare wirkten fast schwarz durch das Wasser darin. Meine grünen Augen blicken mir im Spiegel nervös entgegen, während der Föhn meine Haare zerzaust. Ich muss sie mit der Bürste bändigen, damit sich die sanften Locken nicht ineinander verheddern. Ich gehe zurück ins Schlafzimmer, um in die Klamotten zu schlüpfen, die ich vor Aufregung schon gestern Abend zurechtgelegt habe: Einen kurzen Rock, schwarze Unterwäsche mit Spitze und eine schwarze Bluse mit weitem Ausschnitt für das Dekolleté Die Kunden dürfen an diesem Tag ruhig ein bisschen Haut zum Gucken haben, denke ich. Hauptsache wir verkaufen viel. Wie wird Tino wohl darauf reagieren, durchfährt es mich. Ob er mich noch mehr ignoriert? Nein, heute wird er das nicht können. Wir müssen zusammenarbeiten. Ich massiere meine Füße. Auf dem Fahrrad werde ich die hohen Schuhe nicht anziehen, deshalb werde ich sie einfach mitnehmen und sie dann im Büro überstreifen . Zum Glück regnet es nicht - nassgeschwitzt und durchgeregnet käme ich sicherlich nicht gut an heute. Mirabell hätte mich auch gerne gefahren, aber sie musste schon um drei Uhr früh losfahren, damit sie rechtzeitig zu ihrem Lehrgang eintrifft. Ich bin also alleine im Haus. Mir ist vor Aufregung schlecht und ich würge nur mit Mühe das Frühstück hinunter. Aber ich muss essen, um diesen Tag fit und gestärkt zu beginnen. Plötzlich klingelt es an der Tür.
Ich starre in Tinos Augen, als ich öffne. Sein Blick schweift ab in mein Wohnzimmer hinter mir.
« Sind sie fertig, Frau Sommer?», fragt er ruhig.
« Ja, ich bin fertig. Was machen sie hier?»
« Ich hole sie ab, damit sie heute nicht mit dem Fahrrad fahren müssen.»
« Danke!», sage ich kurz. Dann folge ich ihm zu seinem Auto.
Auf der Fahrt vermeiden wir beide den Blickkontakt und wie gewohnt wartet Tino im Auto, bis ich mit dem Aufzug oben bin, bevor er nachkommt. Das ganze kommt mir schon wie eine irrsinnige eingefahrene Routine vor. Das Gro ßraumbüro ist nicht mehr wiederzuerkennen. Einige Mitarbeiter haben große Topfpflanzen mitgebracht und vor den Fenstern verteilt. Es gab hier auch schon vorher Pflanzen, aber jetzt wirkt die Fensterfront wie ein botanischer Garten. 'Pflanzen beruhigen die Seele', hatte Tino diesen Vorschlag von kommentiert. Im Saal verteilt stehen Tische – eigentlich sind es die Schreibtische der Mitarbeiter, die unter weißen Laken versteckt wurden. Mit Seilen zusammengebundene Schreibtischstühle wurden ebenfalls mit weißen Laken verdeckt und sehen wie gemütliche Sitzreihen aus. Da es ein Steh-Empfang werden soll, säumen die Sitzreihen nur vereinzelt die fensterlosen Wände. Auf den Tischen stapelten bereits Besteck, Geschirr und kunstvoll gefaltete Servietten. Hier wird das Buffet aufgebaut, das die Mitarbeiter später mitbringen. Tino tritt hinter mir in den Raum und ich drehe mich nach ihm um. Sofort wandert sein Blick fort von mir in den Raum hinein.
« Es ist gut geworden», sagt er anerkennend.
Die W ände werden von langen weißen Kerzen gesäumt, die auf einer Rampe stehen. Mein Blick fixiert eine gut gefüllte Bar, in der sich Champagnerflaschen und andere edle Getränke aufreihen.
« Wo kommt das her?», frage ich verwundert.
Seine Mine verfinstert sich.
«Das ist die Kellerbar meines Vaters. Ich habe sie abgebaut und hier wieder errichtet.»
« Oh»
Ich nicke verst ändnisvoll, aber Tino wendet sich von mir ab. Was habe ich jetzt wieder falsch gemacht? Natalie betritt den Raum. Sie trägt ein für meinen Geschmack zu gewagtes rotes Kleid, das so viel Haut freigibt, dass man es auch fast weglassen könnte. Die Highheels lassen sie aussehen wie einen Vamp. Aber mir ist heute alles Recht, was die Kunden auf irgend eine Weise zum Kaufen anregen könnte, selbst Natalies sexy Auftreten.
« Hallo Herr Angelus!», strahlt sie ihn an.
« Hallo», antwortet er knapp und ich stelle mit Befriedigung fest, dass sie nicht die gewünschte Reaktion bei ihm erreicht. Tino wirft ihr nur einen desinteressierten Blick zu und wendet sich wieder mir zu.
« Wenn sie hier alles im Griff haben, gehe ich noch einmal in mein Büro. Ich habe noch zwei Telefonate zu führen. Sie haben die Leitung hier unten, bis ich wiederkomme!»
« OK», antworte ich, als Tino Richtung Aufzug davonläuft. Das Lachen in Natalies Gesicht ist einem düsteren Schmollmund gewichen. Ich kann nicht anders, als innerlich zu triumphieren. Zumindest ist hiermit klar, dass sich Tino nicht alleine durch
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