Sommersonne
überleben. Darauf hoffte ich sogar, weil ich dann vielleicht gesund genug war, um noch mal über ihn herzufallen.
»Ich schau mal, was du so im Kühlschrank hast.«
Ich beobachtete ihn, wie er aufstand und wegging. »Fühl dich wie zu Hause«, rief ich ihm hinterher.
Mit einem feuchten Handtuch und einem Glas Ginger Ale kehrte er zurück. Er kühlte mein Gesicht mit dem Handtuch, strich mir dabei die Haare aus den Augen, und hielt mir dann das Glas an die Lippen.
Ich nahm es ihm aus der Hand. »Ich bin krank, nicht voll invalid.«
»Hört sich an, als wärst du schon wieder auf dem Weg der Besserung.« Feixend grinste er mich an, behielt mich aber im Auge und griff ein, als ich das Glas zu stark kippte. »Warum hast du mich nicht angerufen?«
»Warum? Bist du Arzt?«
»Nein, aber falls du etwas gebraucht hättest, hätte ich dir helfen können.«
»Hm.« Mir war heiß und ich wollte aus dem Haus raus. »Können wir runter zum Steg gehen?«
»Klar.« Er stand auf und beugte sich über mich, um mir auf die Füße zu helfen und die Decke vollständig von mir wegzuziehen.
Ich ließ zu, dass er meinen Arm stützend festhielt, als wir langsam zum Steg runtergingen. Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich ein wenig wackelig auf den Beinen, auch wenn es nicht so schlimm war.
Er führte mich bis an den Rand und ich setzte mich. Er ließ sich hinter mir nieder und lehnte sich gegen den dicken Stegpfeiler. Er zog mich mit sich, sodass ich gegen ihn gelehnt dasaß, und legte die Arme locker um mich.
Zufrieden seufzte ich auf. Es fühlte sich gut an, in der Sonne zu sitzen, denn es war nicht zu heiß. Ich schloss die Augen und lauschte dem Wasser, das gegen den Steg schwappte. Die Geräusche von Motorbooten in der Ferne und Kindern, die im See herumplanschten, führte mich in die Zeit zurück, als die Sommertage noch weniger kompliziert gewesen waren. Einfach nur Spaß haben, schwimmen gehen, herumtollen und mich mit meinen Geschwistern in Schwierigkeiten bringen.
Ich war nicht wirklich eingeschlafen, aber ich befand mich in diesem träumerischen Zustand, in dem die Gedanken einfach nur so umherwanderten und es nur noch um die Sinneswahrnehmungen ging. Kein Sex, nur die Sonne auf meiner Haut, der milde Lufthauch, seine Brust, die sich sachte unter mir bewegte, wenn er atmete.
Russ schien die Gabe des Schweigens zu besitzen. Er sprach nicht oder erwartete von mir, etwas zu sagen, und er bewies endlose Geduld, indem er an diesem Nachmittag stundenlang mit mir auf dem Steg saß. Er schien nichts weiter von mir zu wollen. Es war schön. Ich konnte mich nicht an das letzte Mal erinnern, das ich einen kompletten Nachmittag damit verbracht hatte, rein gar nichts zu tun.
Irgendwann schlief ich doch ein, eingelullt von der Ruhe und Behaglichkeit, mit ihm zusammen zu sein. Mit seinen Lippen, die über meine Wange glitten, weckte er mich schließlich.
»Aufwachen, Jadey, es ist spät geworden.«
»Sorry. Musst du los?«
»Nein, aber die Mücken kommen langsam raus. Ich will dir noch etwas mehr Suppe einflößen, bevor es dich endgültig für die Nacht ausknockt.«
Träge nickte ich und rutschte auf meinem Hintern nach vorne. Er kam auf die Füße und bot mir eine Hand an, um mich hochzuziehen. Ich ließ zu, dass er einen Arm um meine Taille schlang und mich auf dem Weg zurück zum Haus stützte. Ich ging aufs Klo, während er die Küche ansteuerte.
Als ich zurück ins Wohnzimmer kam, hatte er eine Schüssel Hühnersuppe vorbereitet, die dort auf mich wartete. Ich probierte einen Löffel und sie fühlte sich gut an, als sie meinen Hals hinabrann.
»Hast du die gekocht?«
Er warf den Kopf zurück und lachte. Ich bemerkte die sehnigen Muskelstränge an seinem Hals und wie weiß seine Zähne waren, und in mir regte sich der Wunsch, das hier lang genug zu überleben, um irgendwann in meinem Leben noch einmal Sex mit ihm haben zu können.
»Na ja, ich hab die Dose aufgemacht und den Inhalt aufgewärmt. Schätze, man kann mir Punkte dafür geben, dass ich die Suppe in die Schüssel umgefüllt habe.«
»Hm, sie schmeckt gut.« Ich löffelte noch ein bisschen mehr Suppe.
Er nahm mir die Schüssel aus der Hand, bevor ich sie fallen ließ. »Zeit fürs Bett.«
Ich trat einen Schritt nach hinten, als er mich in das größte Schlafzimmer führte. »Das ist das Schlafzimmer meiner Eltern«, murmelte ich.
»Tja, die sind aber gerade nicht hier und wir passen nicht beide in dein Bett«, erklärte er geduldig. »Es sei denn, du
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