Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
entschlossen, ihm niemals einen solch wertvollen Schatz, der ihrem tiefsten Herzen entsprungen war, zu überlassen.
Bewundernd schaute sie zu dem Wesen auf, das Laris ihrem Körper entrissen und als das Kind in ihrem Innern bezeichnet hatte. Und sie war wahrlich groß, doch Arrow fürchtete sie nicht, denn nun wusste sie, so befremdlich es auch anmuten mochte, dass es ein Teil von ihr war. Und zum ersten Mal in ihrem Leben begriff sie, woraus ihre Angst vor Riesen entsprungen war. Denn es war niemals wirklich um die unglaublich großen Geschöpfe an sich gegangen. Sie standen immer nur einzig und allein stellvertretend als Symbol für die Furcht vor dem Großen, das ihr selbst innewohnte. Und das betraf keineswegs ihre magischen Fähigkeiten, sondern all die Dinge, die Laris so treffend als kindlich beschrieben hatte – das Staunen, die Neugier, den Entdeckergeist, die Unerschrockenheit und nicht zuletzt die Fantasie, die es von Zeit zu Zeit vermochte, einen in himmlische Höhen zu katapultieren. Gleichzeitig war es schade, wenn man bedachte, dass nicht wenige all diese Dinge irgendwann hinter sich ließen und somit das Kind in ihrem Innern aufgaben, um einfach nur noch zu funktionieren. Manche, weil sie womöglich keine Wahl hatten, andere, weil ihnen Dinge, die von vornherein mit dem Sündhaften belastet waren, mehr bedeuteten. Und war es nicht auch Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet jemand, der all diese zauberhaften Eigenschaften geradewegs an die Todsünden verkauft hatte, danach strebte, sie anderen zu rauben und sie dazu missbrauchte, Böses zu tun?
Arrow schüttelte den Kopf. Ironie wäre in diesem Fall wohl kaum die treffende Bezeichnung bei all der Tragik, die sich dahinter verbarg. Denn es war grausam, was die Túatha Dé Danann über all die Jahrhunderte hinweg so unglaublich vielen angetan hatten. Letzten Endes hatte sie selbst das gleiche Schicksal ereilt und wie es aussah, hatten sie noch nicht einmal etwas davon mitbekommen. Und wenngleich es auch kein Geschenk war, sein restliches Dasein auf diese Art zu fristen, so war es doch eine überaus geringe Strafe für all das Leid, das sie immer und immer wieder angerichtet hatten.
Plötzlich schreckte Arrow auf, denn Emily rief panisch ihren Namen. Sie wollte sich umdrehen und schauen, was passierte, doch im selben Augenblick erkannte sie, dass es für eine Warnung zu spät war.
Mit einem Ruck hatte Laris den Arm der Axt an ihren Hals gelegt und versuchte, ihr die Luft abzuschnüren.
„Hast du wirklich geglaubt, dass ich so leicht zu besiegen bin?“, schrie er sie an. „Du bist eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Schon lange vor unserer Begegnung haben es ganz andere auf sehr viel originellere Arten versucht. Und sie alle sind ihrem Ziel dabei sehr viel näher gewesen, als du es je warst!“
Arrow wand sich. Wieder und wieder holte sie mit ihren Ellenbogen aus, um ihn zu verletzen, doch so sehr sie sich auch bemühte, konnte sie ihm noch nicht einmal ein Zucken entlocken.
„Du hattest recht, als du sagtest, dass ihr nun all deine Zauberkräfte gehören würden“, sagte er und deutete dabei auf das nebelartige Wesen. „Das macht dich verletzlich wie einen Menschen und du hast nicht die geringste Macht über mich. Genau aus diesem Grund werde ich dich so lange quälen, bis du mich darum anflehst, dem ein Ende zu bereiten.“
Laris war nicht gewillt, Arrow einfach so sterben zu lassen, das wusste sie sofort. Noch immer trachtete er nach dem Kind in ihr, wollte es in sich aufsaugen, um die Macht zu erlangen, nach der er so lange schon gestrebt hatte. Es würde ein unerbittlicher Kampf werden, doch solange sie atmete, würde sie es ihm nicht überlassen. Und auch wenn das Kind mit ihr sterben würde, so wäre es für sie ein weitaus trostvolleres Ende, als alles, was er ihr bot.
Arrows Kräfte schwanden schnell. Schon bald verschwammen die Umrisse der Landschaft und sie schaute noch immer hinauf zu ihrem kindlichen Selbst. Sein Blick war so voller Furcht und Verzweiflung, dass es ihr fast das Herz brach, obgleich sie wusste, wie wenig tugendhaft es war, sich selbst zu beweinen.
„Sorge dich nicht“, presste sie mit der letzten verbleibenden Kraft zwischen ihren Lippen hervor. „Was immer auch geschehen wird, ich werde dich nicht im Stich lassen. Wir stehen das zusammen durch.“
Doch gerade, als sie drohte, das Bewusstsein zu verlieren, ließ Laris von ihr ab. Schlagartig beugte sie sich nach vorn über und rang nach Atem. Als sie
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