Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
würde.“
„Etwas Wertvolleres, als das fehlende Teil, das uns und unsere Herzen endlich vervollständigt? Ich könnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was das sein sollte.“
„Bisher wissen wir es auch nicht“, sagte Frau Gaude. „Dennoch solltest du oberste Vorsicht walten lassen. Verschenke dein Vertrauen nicht unbedacht, sondern gib es nur jenen, die es sich auch verdient haben. Die Spione der Túatha Dé Danann könnten überall sein.“
Als Arrow sich verabschiedete, war es höchste Zeit zum Aufbruch. Viel länger hätte sie nicht bleiben dürfen, da der Tag schon bald hereinbrechen sollte und die Zeit gerade noch ausreichte, um nach Hause zu kommen.
„Warte“, hatte Frau Perchta sie im letzten Moment noch zurückgehalten. „Bevor du gehst, werde ich mit meinen Leuten die Waldgrenze absuchen. Aufhalten können wir die Späher vielleicht nicht, doch es wäre von Vorteil, zu wissen, wo genau sie sich gegenwärtig aufhalten.“
Ohne darauf eingehen zu können, fand Arrow sich plötzlich allein im Wald wieder. Während sie sich umsah, fuhr es ihr durch Mark und Bein. Schreie, welche sie schon während der Gespräche in der Hütte vernommen hatte, mehrten sich und wurden langsam deutlicher.
Einen Augenblick lang überlegte sie, sich wieder in die morsche Unterkunft zurückzuziehen, doch als ihr plötzlich wieder das Skelett einfiel, verwarf sie diesen Gedanken.
„Ich kenne dich“, erklang plötzlich eine vertraute Stimme.
Als Arrow sich umdrehte, erkannte sie sofort das kleine Mädchen mit dem schönen, gelockten Haar und dem niedlichen Cape.
„Das ist richtig“, erwiderte Arrow lächelnd. „Wir haben uns bei der Wilden Jagd vor einem Jahr kennengelernt. Du bist Emily Jane, nicht wahr?“
„Ich habe es lieber, nur Emily genannt zu werden. Die Leute hier halten sich leider nicht daran. Aber du bist anders, stimmt's? Du bist nicht wirklich von hier, oder?“
„Nein, das bin ich nicht, zumindest nicht ganz. Ein Teil von mir hat einst hier gelebt, doch daran kann ich mich heute nicht mehr erinnern.“
Emily schaute sich um und sprang anschließend abwechselnd auf einem Bein durch den Schnee. Als Arrow ihre spärlichen Schühchen erblickte, erschrak sie zunächst und war versucht, ihr etwas von ihren wärmenden Kleidern anzubieten. Schnell fiel ihr jedoch wieder ein, dass Emily weder Hunger noch Kälte zu spüren vermochte, und so ließ sie von dem Gedanken ab.
„Damals wurdest du von einem schwarzen Pferd begleitet. Ist es auch hier?“, fragte Emily, ohne mit dem Springen aufzuhören.
„Whisper? Nein, ihm wollte ich dieses haarsträubende Wetter nicht auch noch antun.“
„Ich mag Schnee“, erwiderte das Mädchen, das unmittelbar vor Arrow Halt machte und zu ihr hinauf sah. „Hier im Wald fällt er nur, wenn draußen ein besonders schlimmer Sturm tobt. Manchmal, wenn das schwache Licht des Vollmonds auf die weiße Decke fällt, wirkt alles ein bisschen friedlicher. Dann vergesse ich von Zeit zu Zeit sogar, an was für einem Ort ich mich befinde, und es ist, als müsse ich nur nach Hause laufen, wo Großmutter schon am Kamin mit einer zauberhaften Geschichte auf mich wartet.“
Arrow beugte sich zu ihr hinunter. Das Mädchen hatte wirklich schöne Augen, doch sie wirkten ebenso leer wie die eines jeden Wesens, aus denen längst das Leben entwichen war. Wieder einmal stimmte es sie traurig, über das Schicksal der Kleinen nachzudenken. Mitfühlend strich sie ihr über das Haar und suchte innerlich nach den richtigen Worten, sie ein wenig aufzuheitern. Doch die näher rückenden Schreie rissen sie plötzlich aus ihren Gedanken. Schnell entsann sie sich wieder der wenigen Zeit, die ihr noch bis zum Tagesanbruch blieb, und dass der Schutz der Banshees darüber hinaus nicht gewährleistet war. Bei Tag konnte sie unter keinen Umständen reisen, denn dann würde sie den Túatha Dé Danann schneller in die Finger fallen, als ein Sonnenstrahl die Erde berührte.
„Du liebes bisschen“, sagte Emily plötzlich erstaunt. „Was trägst du denn da Schönes um deinen Hals?“
Als Arrow an sich hinabblickte, stellte sie erschrocken fest, dass ihr Amulett beim Hinunterbeugen unter ihren Kleidern hervor gerutscht war. Eilig wollte sie es wieder darunter verstauen, doch dann kam ihr plötzlich eine Idee, die sie einerseits aus dieser verzwickten Situation retten, andererseits aber auch jede Menge Ärger bedeuten könnte.
„Sag mal, Emily, hättest du Lust, gemeinsam mit mir zu
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