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Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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trat, verschlug es ihr regelrecht die Sprache, denn angezogen sah das Kleid noch um ein Vielfaches schöner aus als an der Puppe. Es war figurbetont, bodenlang und bestand fast vollkommen aus zarter, weißer Spitze in Eisblumenmuster. Neben den langen Ärmeln verfügte es auch noch über eine Kapuze und einen atemberaubenden Beinschlitz, und obwohl es zumeist viel Haut durchschimmern ließ, war es über die Körpermitte blickdicht gearbeitet.
    „Gefällt es dir?“, fragte Anne erwartungsvoll.
    „Es ist umwerfend“, entgegnete Arrow aufrichtig.
    Von allen Versuchen, die Anne je unternommen hatte aus ihr eine Dame zu machen, war dies das erste Mal, dass Arrow in den Spiegel sah und sich dabei nicht wie eine Fremde vorkam. Was sie sah, empfand sie als hübsch und gleichzeitig konnte sie akzeptieren, dass sie es selbst war. Vermutlich hatte sie in den letzten Jahren eine Wandlung durchgemacht. Aus dem schüchternen, in sich gekehrten Mädchen war eine Person mit Selbstbewusstsein und Willensstärke geworden. Diese Wesensänderung, die einem Gewand gleichkam, zu vollziehen, war die angenehmste Kleiderwahl, die sie für sich selbst je getroffen hatte. Es fühlte sich gut an, wenngleich sie es von Zeit zu Zeit auch ablegte und in ihre alten Kleider zurückschlüpfte, sobald sie sich unsicher fühlte.
    „Und was ist mit dem Rest?“
    Arrow lächelte und gab ihrer Großmutter einen liebevollen Kuss auf die Wange.
    „Es ist perfekt“, flüsterte sie.
    „Und du nimmst mich auch bestimmt nicht auf den Arm?“, erwiderte sie stirnrunzelnd.
    Ihre Enkelin schüttelte den Kopf.
    „Na gut“, entgegnete die alte Frau noch immer misstrauisch. „Dann werde ich mich jetzt zurückziehen und ebenfalls andere Kleidung anlegen. Und du verlässt mir bitte unter gar keinen Umständen dieses Zimmer, bevor deine Begleitung hier erscheint.“
    „Begleitung?“, fragte Arrow stutzig.
    Doch Anne erwiderte nichts darauf und ließ sie einfach mit ihren Fragen zurück.
    Argwöhnisch schritt sie ans Fenster, doch die Läden waren fest verschlossen. Langsam schwante ihr, dass dieser Abend ganz und gar nicht so verlaufen würde, wie es ursprünglich von ihr geplant war. Alle taten so geheimnisvoll, und noch war sie nicht sicher, ob ihr das gefallen sollte.
    Wenig später klopfte es an der Tür. Als Arrow öffnete, staunte sie nicht schlecht über Adams Erscheinung. Er trug einen figurbetonten Anzug mit einer Weste darunter und überaus edle Schuhe. Die Manschettenknöpfe an seinen Ärmeln funkelten so hell, als wollten sie Arrows Ohrringen Konkurrenz machen. Einzelne Strähnen seiner braun gelockten Haare fielen ihm ins Gesicht und er lächelte so ausgeglichen wie schon lange nicht mehr.
    „Du siehst toll aus“, sagte er anerkennend.
    „Nein, du siehst toll aus“, erwiderte sie begeistert.
    „Wollen wir?“, fragte er und bot ihr seinen Arm an.
    Mit einem strahlenden Lächeln und leuchtenden Augen nahm sie an. Doch während Adam seine Maske aufsetzte, die ihn tatsächlich von einem Moment zum nächsten wie jemand anderes erscheinen ließ, kehrte die Unbehaglichkeit in ihr zurück. Jetzt war es soweit. Gleich würde sie sehen, wie viele Gäste der Einladung gefolgt waren. Noch immer betete sie innerlich dafür, Frau Perchta eine Demütigung ersparen zu können, doch es lag nun nicht mehr in ihrer Hand.
    Wenige Schritte nach Verlassen des Gemachs hielt Arrow inne. Da war etwas Seltsames. Etwas, das Erinnerungen und Gefühle ihrer Kindheit wachrief.
    „Stimmt etwas nicht?“, fragte Adam stirnrunzelnd.
    „Mir war gerade, als würde es nach Weihnachten duften“, entgegnete sie verwirrt. „Aber jetzt ist es wieder verschwunden.“
    Adam ging nicht auf ihre Worte ein. Stattdessen zog er vorsichtig an ihrem Arm, um sie zum Weitergehen zu animieren. Und während Arrow sich noch immer über die verschollen geglaubten Gefühle ihrer Kindheit wunderte, rückten ihre Sorgen wieder in den Hintergrund.
    Als sie das Ende des Korridors erreichten, an den sich die Ebene mit der großen Treppe, die in die Eingangshalle führte, anschloss, bemerkte sie zunächst gar nicht, wie ihr geschah. Noch bevor sie den Bogen durchschritt, erblickte sie einen übergroßen, aus Eis gearbeiteten Weihnachtsbaum, in dem kleine, gefrostete Flammen auf und ab flackerten. An den Zweigen hingen aus Schnee geformte Sterne, Äpfel und Nüsse. Wie gebannt blickte sie auf das Kunstwerk und als Adam mit ihr am Kopfe der Treppe stehen blieb und sie ihren Blick durch den

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