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Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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ganz allein auf der Welt zu sein, vollkommen abhängig davon, dass einem eine fremde Person ihr höchstes Hab und Gut anvertraute.
    „Wünschst du dir denn manchmal, dass du eine hättest?“
    Er überlegte kurz, zuckte dann aber erneut mit den Schultern.
    „Würde es dir etwas ausmachen, zu meiner Familie zu gehören?“
    Grint antwortete nicht, sondern starrte sie nur fragend an.
    „Na, immerhin kanntest du meinen Vater, und das offenbar auch noch sehr gut. Und nun stehst du mir so zur Seite, wie du es einst für ihn getan hast. Das bedeutet mir wirklich sehr viel. Und je länger ich von meiner eigentlichen Familie getrennt bin, desto mehr wird mir bewusst, wie viel sie mir bedeuten. Natürlich ist das nichts Außergewöhnliches, aber weißt du, wenn man noch sehr jung ist, dann fragt man sich, wohin einen das Leben wohl führen mag. Man macht sich darüber Gedanken, in welchen Teil der Welt es einen wohl verschlägt. Damals hätte ich allerdings nicht gedacht, dass es neben der menschlichen Welt noch eine zweite geben könnte. Und obwohl es dort, wo ich aufgewachsen bin, gang und gäbe ist, dass eine junge Frau irgendwann heiratet und Kinder bekommt, hätte ich nie gedacht, dass diese banale Formel eben jene ist, die mich so erfüllt. Ich hatte immer davon geträumt, irgendwann auf Reisen zu gehen, fremde Länder, Menschen und ihre Lebensweise kennenzulernen. Nie wäre mir in den Sinn gekommen, ein so dermaßen gewöhnliches Leben zu führen. Wenn ich nun aber auf die letzten Jahre zurückblicke, muss ich schon sagen, dass diese Welt ein Vielfaches mehr von dem zu bieten hat, was ich mir erträumt habe. Dennoch war und bleibt es mein größtes Abenteuer, eine Familie zu gründen.“ Sie entsandte verträumte Blicke aus dem Fenster. „Das Einfachste liegt oft so nahe“, flüsterte sie. „Und doch muss man manchmal erst bis an das Ende einer anderen Welt reisen, um es zu erkennen.“
    Sie lächelte. Wenn sie so darüber nachdachte, welche Träume sie als junges Mädchen gehabt hatte und wohin sie ihre Reise letzten Endes geführt hatte, empfand sie es als Ironie des Schicksals. Dieses Mal jedoch auf eine ganz besonders schöne Art und Weise. Sie fragte sich, was ihr jugendliches Ich, von dem sie eigentlich noch gar nicht so weit entfernt war, dazu sagen würde, wenn es sie jetzt sehen könnte. Vermutlich würde es sie auslachen und darauf schwören, dass es gedenke, einen ganz anderen Weg einzuschlagen. Aber war es nicht seltsam, dass man als junger Mensch immer irgendwelche Pläne für die Zukunft schmiedete und sie nur in den seltensten Fällen auch aufgingen? So manches Mal vermochten sie einen noch nicht einmal glücklich zu machen, obgleich alles genauso verlief, wie man es sich erträumt hatte. Letzten Endes konnte man aber wohl Pläne schmieden so viel man wollte, das Leben hielt dennoch immer irgendwelche Überraschungen bereit. Manchmal waren sie so schmerzvoll, dass man sich fragte, ob es das alles noch wert sei. Aber hin und wieder machten sie einen auf erfrischend unerwartete Art und Weise so glücklich, dass es einem Flügel verlieh.
    „Meine Zeit hier hat mich vor allem eines gelehrt. Nichts auf der Welt hat mich je so ausgefüllt wie der Gedanke an meine Familie. Und wenngleich du auch nicht weißt, was das Wort wirklich bedeutet, so habe ich dennoch das Gefühl, dass du ein Teil davon bist. Es ist schön, so jemanden an meiner Seite zu wissen.“
    „Ok“, sagte Grint, klimperte mit seinen Augen und zog sich dann in seine Ecke zurück.
    Und obwohl sie nicht damit gerechnet hatte, dass das kleine Männchen sprechen konnte, war es dennoch das erste Mal, dass etwas Unerwartetes in dieser Welt geschah, über das sie sich ausnahmsweise mal nicht wunderte.

Besuch

    Eine weitere Woche war vergangen. Mittlerweile hatte Arrow gelernt, sich mit dem wenigen Schlaf abzufinden. Es nützte ohnehin nichts, sich deswegen zu grämen, denn das machte die Sache umso schwieriger. Schlafstörungen waren ihr nicht neu. Genau genommen konnte sie sich gar nicht daran erinnern, jemals nicht darunter gelitten zu haben. Nicht einmal in Elm Tree, fernab von Riesen, Finsterlingen und dem Holunderwald, hatte sie ausreichend erholsamen Schlaf genossen.
    Innerlich grübelte sie fortwährend darüber nach, wie sie im Hinblick auf die Nyriden weiter vorgehen sollte. Solange die zündende Idee auf sich warten ließ, sah sie von einem weiteren Besuch im Wald ab. Was nützte es, Tag um Tag dort aufzutauchen, Löcher in die Luft

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