Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
zu starren und dann wieder zu verschwinden? Verhielte sich jemand in ihrem unmittelbaren Umfeld so, würde ihr das schon sehr bald gehörig auf die Nerven gehen.
Trotzdem konnte sie nicht untätig herumsitzen. Die wenigsten wirklich guten Ideen kamen einfach so vom Himmel gefallen, während man sich tagelang zurücklehnte und bei einer guten Tasse Tee darauf wartete. Sie musste etwas tun, gefordert werden und gewissermaßen kreativ sein, nur dann ergaben sich die Dinge.
Wie so oft war sie wieder einmal damit beschäftigt, mit den anderen das Schloss in Ordnung zu bringen. Gemessen an den vielen Etagen und Zimmern, die es umfasste, erschien es ihr manchmal wie eine nicht enden wollende Aufgabe. Allein mit der Beseitigung der Trümmer, die einst zu der Treppe gehört hatten, welche der Finsterling damals bei der Jagd auf Arrow zerstört hatte, waren sie zwei volle Tage beschäftigt gewesen. Und nun waren es keine Finsterlinge, die in ihr Unbehagen auslösten, sondern noch immer die Riesen. Wo immer sie sich im Schloss befand waren sie allgegenwärtig. Selbst in den Gängen genügte oft nur ein Blick in einen der vielen Spiegel, um sich ihrer Anwesenheit wieder bewusst zu werden. Noch immer tauchten sie mit den Zwergen den See ab. Bisher hatten sie nichts Auffälliges gefunden, und auch von dem Verfolger fehlte noch immer jede Spur. Jedes Mal, wenn einer der Riesen hinter der Wand vorbei schwamm, fuhr es ihr durch Mark und Bein. Vor einigen Tagen jedoch, als sie vor einem der Eingänge auf Bon gewartete hatte um seinen ersten Bericht zu erfahren, hatte sie eine besonders unheimliche Begegnung. Denn anstelle ihres Freundes tauchte plötzlich ein unglaublich großes Auge auf, das sie neugierig musterte. Zu gerne wäre sie mit einem lauten Schrei einfach davon gelaufen, doch die Tatsache, dass Elon und die anderen nur wenige Schritte entfernt gewesen waren, untersagte ihr, in Panik auszubrechen. Seither versuchte sie, sämtliche Blicke in die Spiegel zu vermeiden, was sich angesichts der großen Anzahl als besonders schwierig erwies.
Obwohl sie mittlerweile jeden Tag von früh bis spät damit beschäftigt war, die vielen Räume vom Unrat zu befreien, diente es dennoch lediglich der Ablenkung. Und auch, wenn die Ordnung nach und nach wieder hergestellt wurde, reichte das Schloss nicht einmal annähernd an seine einstige Glanzzeit heran. Seinerzeit wurde es als Ode an die wunderschöne Artenvielfalt, die die Natur zu bieten hatte, geschaffen. Während in anderen Gebäuden Blumen in Vasen aufgestellt wurden, um die Atmosphäre aufzulockern, wurde hier alles andersherum geplant. Verzierungen wie Spiegel, Brunnen oder Vogeltränken dienten hier nur als Beiwerk, während die Pflanzen im Mittelpunkt standen.
Doch nun war es einfach nur noch nackt. Nicht einmal das Relief war noch geblieben. Bon hatte erzählt, dass die vielen Figuren nicht einfach nur einem Elfenzauber entsprungen waren. Sie waren aus allem Schönen entstanden, das diesem Ort angehaftet hatte und deren Bewohner damit in Verbindung gebracht hatten. All die Liebe, Hoffnung und das Glück hatten einst dafür gesorgt, dass in den Mauern des Palastes ein Geist geboren wurde, der mit all diesen Dingen von Tag zu Tag an Stärke gewann. Als Nebulae Hall dann zerstört wurde, starben all diese wunderbaren Empfindungen und mit ihnen auch der Geist.
Trotz alledem trieb ein anderes Gespenst sein Unwesen in diesen Mauern, und seit seinem Auftauchen schienen die Schatten lebendiger denn je. Der fremde Eindringling war seither nicht wieder gesehen worden und hatte auch sonst nichts hinterlassen, was auf eine weitere Anwesenheit seinerseits schließen ließ. Die Zwerge und die Perchten hatten die gesamte Höhle und das umliegende Untergrundgebiet vergeblich nach ihm abgesucht. Aus diesem Grund konnten sie nur vermuten, dass er Nebulae Hall verlassen hatte. So vollkommen wollte Arrow sich dieser Vorstellung jedoch nicht hingeben. Es behagte ihr nicht, sich nach diesem unerwarteten Vorfall in Sicherheit zu wiegen. Das hatte sie zuvor bereits getan, was sich letzten Endes als Fehler entpuppt hatte. Folglich traf sie Vorsichtsmaßnahmen, die sowohl die Möglichkeit einbezogen, dass der Eindringling sich doch entfernt hatte und plante, zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukehren, als auch die, dass er sich noch immer unter ihnen aufhielt So hatte sie Bon nach Abaläss zu Adam gesandt. Abgesehen von ihm lebten dort noch vier weitere Menschenfamilien, die in ständigem Kontakt zu
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