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Sommertochter

Sommertochter

Titel: Sommertochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seydlitz Lisa Maria
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Haus tanzen, manchmal auch
Julie, erst mit Jan, dann mit einem anderen Mann, ich sehe sie ohne Musik
tanzen, höre nur die Bässe, weil der Rest von den Hauswänden verschluckt wird.
    Irgendwann steht Jan vor mir, er nimmt mir das Glas aus der Hand,
packt mich am Handgelenk und zieht mich wieder ins Haus hinein. Die Luft steht,
ich spüre die Euphorie, die zwischen den Menschen entstanden und auf mich noch
nicht übergesprungen ist. Jan füllt drei kleine Gläser mit Wodka, wieder, wie
in der Bar du Matin vor einigen Tagen, als wir uns kennenlernten. Doch er
verschwindet kurz noch einmal, kommt mit einer Gewürzdose zurück. »In
Frankreich trinkt man Wodka mit Zimt«, sagt er und streut das braune Pulver in
unsere Gläser. Jan winkt Julie, zu dritt stürzen wir den Wodka hinunter, Julie
streicht sich mit dem Handrücken über die Lippen.
    Der Takt der Musik ist schneller als mein Herzschlag, das denke ich
zumindest. Julie tanzt in der Mitte des Raumes, die anderen Gäste bilden einen
Kreis um sie. Dann kommt sie wieder auf uns zu, immer noch tanzend, sie bleibt
vor mir stehen und bewegt sich weiter im Rhythmus der Musik, schaut mir tief in
die Augen. Sie lächelt. Ich kann nicht anders, ich muss auch tanzen, der
Alkohol hilft, meine Bewegungen geschmeidig zu machen.
    Julie und ich tanzen miteinander, als wären wir schon oft zusammen
ausgewesen. Ich nehme Jan die Flasche aus der Hand, trinke das Bier, gebe Julie
die Flasche, sie hält sie senkrecht an ihre Lippen und trinkt sie leer. Wir
merken nicht, dass es um uns herum immer leerer wird, dass auch das Mädchen mit
dem goldenen Top geht und der Student aus Rennes. Erst als weiches Morgenlicht
durch die offenen Fenster strahlt und die kleinen Alkoholpfützen und Kronkorken
auf dem Boden zum Glänzen bringt, sehen wir, dass da niemand mehr ist. Nur wir
drei.
    Das Feuer im Garten ist heruntergebrannt. Wir liegen in
der Morgendämmerung auf Matratzen neben der glimmenden Glut. Julie spricht
etwas auf Französisch vor sich hin, vielleicht eine Gute-Nacht-Geschichte, sie
hat die Augen geschlossen. Jan liegt neben mir, ich spüre, wie sich sein
Brustkorb hebt und senkt, er dreht seinen Kopf und kommt näher, ich spüre seine
kalte Zunge, wie sie über meine Mundwinkel fährt. Da sei noch ein Krümel
gewesen, sagt er, Krümel und ein Fleck vom Wein, aber ich mag diesen Kuss, ich
brauche keine Ausrede und ich küsse ihn zurück, lecke seine Mundwinkel aus.
    IM GARTEN RIECHT ES nach
frisch gemähtem Gras. Eine flache Spur führt vom Haus zum Schuppen, an ihrem Rand
strecken sich die Grashalme in die Höhe, beugen sich auf den neuen Weg, wie
Schilf am Rand eines Teichs. Am Ende der Spur steht der Rasenmäher hüpfend vor
dem Schuppen, er gibt bretternde Laute von sich und wartet darauf, geführt zu
werden. Meine Mutter sitzt auf meiner alten Schaukel, die mein Vater aus dem
Schuppen geholt und an einem Ast des Kirschbaums befestigt hat. Das
Blümchenkleid meiner Mutter flattert im Wind, sie schwingt vor und zurück. Mein
Vater steht hinter ihr und stößt sie immer wieder an. Mutters Lachen, laut und
glucksend, wird über den Lärm des Rasenmähers bis zu mir getragen, »höher!«,
ruft sie, als sich ihr Haarband löst, »noch höher!«, ihr Rücken ist fast
parallel zum Boden, »schneller!«.
    Mutters Haar steht zerzaust vom Kopf ab, als die Schaukel langsam
ausschwingt. Jetzt erst nehmen sie die Geräusche des Rasenmähers wahr. Meine
Mutter schaltet ihn kichernd aus. Mein Vater legt seinen Arm um ihre Schulter,
sie dreht sich zu ihm. Sie stehen in der Mittagssonne im Garten, als würden sie
aneinander festkleben, sie umarmen sich. Mutters Augen sind geschlossen, von
meinem Vater sehe ich nur den Rücken. Es kommt mir vor, als ständen sie Minuten
so zusammen, als schlössen sie die Welt aus, als hätte ich nichts mit ihnen zu
tun.
    Ich pflücke die Blumen, die wild vor der Hecke wachsen,
niemand hat sie gepflanzt. Es sind Blumen mit großen Blüten, Blumen mit kleinen
Blüten, Blumen mit Blättern und mit behaarten Stängeln. Auf den Wohnzimmertisch
habe ich meine Presse bereitgelegt: Zwei quadratische Holzstücke, die von
Schrauben zusammengehalten werden, dazwischen Pappe, Papier und die Blumen. Ich
ziehe die Schrauben fest zusammen.
    DER PLATZ NEBEN MIR ist
leer. Ich lasse Julie auf der Matratze liegen und gehe ins Haus, wo ich

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