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Sommertochter

Sommertochter

Titel: Sommertochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seydlitz Lisa Maria
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Probieren hinstellte und fragte:
»Wie schmeckt es euch, was fehlt, ist zuviel Zimt drin?«, und mein Vater sagte:
»Es schmeckt hervorragend, ich kann mir nichts Besseres vorstellen«, und er das
ganze Stück aß und ich ihm ansah, dass er gerne noch ein zweites Stück hätte,
sich aber nicht traute zu fragen. Dass es die Tage im Frühling waren, sage ich,
in denen mein Vater zum ersten Mal im neuen Jahr Tennis draußen auf dem Platz
statt in der Halle spielen konnte, er mich mitnahm und ich von der
Zuschauertribüne aus sah, wie er ein Spiel nach dem anderen gewann, nicht nur
die, die er alleine antrat, sondern auch im Doppel und im Mixed. Dass es die
Tage im letzten Sommer waren, sage ich, in denen mein Vater die Beete vor dem
Schuppen umgrub und sich, im Schatten des Kirschbaumes sitzend, Listen machte,
welches Gemüse er anbauen wollte, er mich fragte, welches ich mir wünschte, und
ich sagte, ich wolle Tomaten, er aber sagte, für die sei es leider schon zu
spät, die hätten wir früher pflanzen oder säen müssen, aber vielleicht könnten
wir noch ein paar in der Küche ziehen. Wenn wir sie ans Fenster stellen würden,
bekämen sie bestimmt noch genug Licht ab, sodass wir im Frühherbst noch eigene
frische Tomaten essen könnten.
    BEVOR MEIN VATER IN Frankreich in den Zug oder in den Kombi steigt, um zu uns zurückzufahren, hat
er manchmal noch ein paar Stunden Zeit. Er liest in Zeitungen und fragt im
Hotel, wo an diesem Tag ein Flohmarkt ist und ob ihn jemand dahin mitnehmen
kann, manchmal trampt er auch, das gehe sowieso am schnellsten und einfachsten,
sagt er, einfach an einer größeren Straße stadtauswärts den Daumen
rausstrecken, immer hält jemand an. Mein Vater ist auf der Suche nach alten
Kaffeemühlen, klein und aus Holz, in die man die Bohnen einfüllt, bei denen man
an einer Kurbel dreht und das gemahlene Pulver von einer Schublade aufgefangen
wird. Er sammelt sie, um sie zu Hause zu säubern, zu wachsen und in das
Küchenregal zu stellen, das er nur für die Mühlen an die Wand geschraubt hat.
Dazu kauft er Cidre für meine Mutter, flaschenweise transportiert er ihn im Zug
oder im Kofferraum, dazu Rezepte für Crêpes, für Fischgerichte und Tartes, die
meine Mutter nie ausprobiert. Sie sind auf Französisch geschrieben und sie kann
kein Französisch, und sie lässt die Rezepte nicht übersetzen, denn sie bittet
nicht gerne jemanden darum, ihr zu helfen. Für mich bringt mein Vater Schokolade
mit oder kleine Gegenstände, die meine Mutter Nippes nennt oder Staubfänger,
die ich aber sehr gerne auf die Fensterbank in meinem Zimmer stelle und
anschaue.
    Einmal kommt mein Vater von seiner Geschäftsreise nach
Hause und trägt eine Plastiktüte in der Hand. Als er das Haus betritt, riecht
es im ganzen Flur sofort nach Fisch. »Seeteufel!«, sagt er, als er den Fisch
aus der Plastiktüte holt und ihn aus dem Papier auswickelt, meine Mutter
verzieht das Gesicht. Der Fisch hat die Farbe von dunklem Stein, er kann sich
bestimmt gut tarnen, denke ich, sein Maul ist so breit, dass er mit seinen
spitzen Zähnen sogar meine Hand abbeißen könnte, Urfisch, denke ich, und dass
wir so etwas Hässliches doch nicht essen können. Der Fisch sei eine Spezialität,
sagt mein Vater. Meine Mutter, die sagt, sie kenne den Fisch, sie möge ihn
auch, vor allem wenn man ihn richtig zubereite, aber der sei doch schon
schlecht geworden. So übel, wie er rieche, könnten wir ihn nicht mehr essen, da
richteten Fett und Hitze nichts mehr aus, wir würden uns alle den Magen
verderben. Mit dem Fisch in der Hand verlässt sie die Küche und wirft ihn im
Garten in die Mülltonne.
    Â»Welchen Beruf hast du eigentlich?«, frage ich meinen Vater. Er
antwortet nicht gleich, sieht meine Mutter an. »Dein Papa ist Geschäftsmann«,
sagt sie, »der muss viel verreisen und muss immer gesund sein. Aber du solltest
erstmal zusehen, dass du eine gute Schülerin bist.« Mein Vater sagt: »Dann
kannst du nämlich alles werden.« Wenn ich groß bin, will ich auch so oft
verreisen.
    WIR VERGESSEN DIE PFANNE auf
dem Herd in der Küche oder wollen sie vergessen, das Essen bleibt unberührt.
    Jan steigt die Treppe hinunter und ich folge ihm. Im Flur nimmt er
ein Nachthemd von einem Haken und wirft es mir zu. Schwarz, mit schmalen Trägern,
ich rieche daran. Ich ziehe mein Kleid aus und

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