Sommerzeit
Furillen. Ihr Verhalten passte nicht zu einem brutalen Gewalttäter. Andererseits hatten sie Vendela Bovide misshandelt. Vielleicht waren sie nur so vorsichtig gewesen, weil Knutas Polizist war.
In der Nacht hatte er sich über die russischen Kohlentransporte, die regelmäßig im Hafen von Slite einliefen, sein Hirn zermartert. Sie hatten auf das nächste Schiff gewartet, und jetzt war es endlich so weit. Die Ermittlungsleitung hatte in der vergangenen Woche den für diesen Abend geplanten Einsatz festgelegt. Hoffentlich würde sich alles klären, wenn sie erst mit der Besatzung des Schiffes gesprochen hatten.
Er ließ sich unter der Dusche lange mit kaltem Wasser berieseln. Musterte seinen Körper kritisch im Spiegel. Ihm war nicht anzusehen, dass sie den sonnigsten Sommer
seit Jahren hatten. Das bisschen Sonnenbräune aus Dänemark war schon fast verblichen. Als er sich im Profil hinstellte und den Bauch einzog, fand er sich gar nicht schlecht, aber von vorn war das etwas anderes. Trainingszeit war Mangelware, und seiner Taille war es sofort anzusehen, wenn er einige Zeit auf der faulen Haut gelegen hatte. Knutas war eigentlich ziemlich sportlich, aber die Hallenhockeysaison war vorüber, und zum Golfen war er einfach nicht gekommen.
Als er die Straße betrat, blendete ihn die Sonne. Die Hitzewelle nahm kein Ende. Kein Wunder, dass das Schwimmbad fast leer war, die meisten Leute gingen natürlich an den Strand. Die Algenblüte, von der Gotland im Hochsommer oft heimgesucht wurde, war bisher noch nicht aufgetreten. Abends waren die Straßencafés in Visbys Gassen überfüllt. Line und er wollten an diesem Abend essen gehen und dann ein klassisches Konzert in der Kirchenruine St. Nikolai genießen. Er hatte sich Mühe gegeben, Karten gekauft und einen Tisch bestellt. Line war dermaßen freudig überrascht gewesen, dass er ein schlechtes Gewissen hatte.
Nach der Morgenbesprechung fuhren Karin und er nach Slite. Sie hatten sich mit dem Hafendirektor verabredet, der für die Kohlentransporte zuständig war, und der ihnen vor dem abendlichen Einsatz das Gelände zeigen wollte.
Sobald der Streifenwagen auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang der Firma Cementa in Slite hielt, kam ein hochgewachsener Mann auf sie zu. Er trug einen blauen Overall und eine Schirmmütze. Er lächelte freundlich, als er sie begrüßte, und stellte sich als Hafendirektor Roger Nilsson vor.
Sie fuhren hinter ihm her zum Hafen und betraten ein Büro, wo ihnen Kaffee serviert wurde.
Knutas kam bald zur Sache.
»Wir wissen, dass im Zusammenhang mit den Kohlentransporten auch illegaler Alkohol verkauft wird. Außerdem ist uns bestätigt worden, dass Peter Bovide bisweilen hier eingekauft hat. Was wissen Sie darüber?«
Der Hafendirektor war sichtlich verlegen.
»Das macht uns wirklich große Sorgen. Wir sind auf die Kohlen aus Russland angewiesen, aber die bringen andere Probleme im Schlepptau. Der Umsatz von Fusel scheint dauernd zu steigen. Kaum legt ein Schiff an, strömen Menschen in den Hafen, um Wodka zu kaufen. Wir haben auch bemerkt, dass dort immer häufiger Jugendliche kaufen. Wir haben die Polizei immer wieder gebeten, etwas zu unternehmen, aber was hilft das schon? Sie kommen ab und zu hier vorbei, machen Stichproben und damit hat sich’s. Ich verstehe nicht, worauf die Polizei wartet. Wie viele Teenager müssen sich denn noch zu Tode saufen, damit endlich eingegriffen wird?«
Der Hafendirektor schüttelte den Kopf. Karin fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Sie hatte keine Lust auf eine Debatte darüber, wie die Polizei die ihr zur Verfügung stehenden Mittel verwendete.
»Leider können wir daran im Moment nichts ändern«, sagte sie, »aber ich kann später mit dem Bezirkspolizeichef sprechen. Wie geht der Verkauf vor sich?«
»Die Leute wissen, wann ein Schiff kommt, das spricht sich sofort herum. Es ist ja nicht so, dass wir in der Zeitung annoncieren oder Plakate aufhängen oder so. Sie kommen zum Hafen, sowie das Schiff anlegt, und sie tun sich mit der Besatzung zusammen, wenn die in die Stadt
geht. Wir können denen ja nicht verbieten, in Slite herumzulaufen. Sie gehen ins Restaurant, in die Pizzeria und in die Kneipe hier. Da treffen sie ihre Kunden, falls das nicht im Hafen geschieht. Wir hatten auch Probleme, wenn jemand mit an Bord gegangen ist.«
Karin spitzte die Ohren.
»Warum das denn?«
»Die russische Besatzung bleibt hier oft über Nacht, manchmal auch zwei Tage, und sie kommen so regelmäßig her,
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