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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
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abgebildeten Figuren schauen einander nicht an, sondern jede
schaut für sich aus dem Bild heraus, ihre Blicke werden sich nicht treffen. Die
visuelle Konfrontation der beiden dargestellten Personen miteinander kann also
im Bildtitel nicht gemeint sein. Zunächst stellt sich daher die Frage der
Malsituation. Einen Spiegel vorausgesetzt, schaut sich der Künstler selbst an.
Im Gemälde verdoppelt er die Spiegelung seiner selbst. Statt sich allein, sieht
Schiele im Spiegel, bzw. im Gemälde zwei Personen, nämlich sich selbst und eine
Art fahlen, schattenhaften Doppelgänger. Anstelle des bei vielen traditionellen
Spiegel-Selbstbildnissen anzutreffenden prüfenden Blicks des Malers treten aber
hier die geschlossenen Augen bei der vorderen Figur sowie die leeren
Augenhöhlen bei der hinteren Figur. Der Spiegel ist hier also reines Handwerksmedium,
das die Voraussetzungen für ein fiktives, experimentelles Selbstbild des
Künstlers schafft.“
    Noch immer lauschte Valeriu ihren Worten
wie gebannt. Dann bat er: „Erzählen Sie mir mehr über die Augen, über die
zweite Figur und über ihre Nähe zum Tod.“
    Also fuhr Eliza fort: „Die leeren
Augenhöhlen sind ein Attribut des Totenschädels und mit ihm des
personifizierten Todes. Schon der vordere Mann weist mit seinem überlängten,
kahlen Schädel, mit seinen kantigen Konturen und den eingefallenen Wangen
Aspekte des Totenkopfes auf. Seine Augen erscheinen auf den ersten Blick wie
rötliche tiefe Augenhöhlen. Schaut man jedoch ganz genau hin, kann man am
unteren Rand dieser Augen angedeutete rote Wimpern erahnen. Diese Augen sind
also nicht leer sondern lediglich geschlossen. Insbesondere das Gesicht der
hinteren Figur weist große Ähnlichkeiten mit dem klassischen Totenschädel auf.
Die leeren Augenhöhlen sind nahezu rund, der Wangenknochen steht spitz hervor,
die Nase erscheint wie eingefallen und besteht nur aus dunklen Nasenlöchern.
Das Kinn ist kantig und fleischlos. Dass diese Figur den Tod symbolisiert ist
eindeutig.“
    Valeriu hatte den Blick wieder auf das
Gemälde gerichtet und nickte fast unmerklich, doch eindeutig zustimmend. Durch
sein offensichtlich nicht abebbendes Interesse fühlte sich Eliza ermutigt, in
ihren Ausführungen fortzufahren: „Die beiden Protagonisten sind sich nah, doch
scheint hier nicht der Moment des Abschieds aus der Welt der Lebenden
dargestellt. Der Tod ist noch nicht Verführer, wie in anderen Werken Schieles,
der Lebende noch nicht bereit, ihm in sein Reich zu folgen. Der Körper des
Todes ist noch diffus, wenig konkret, seine Färbung bleich, fahl und seine
leeren Augenhöhen irisierend und irrlichternd. Er hat keinen direkten Kontakt
zu seinem Vordermann. Er umhüllt und umfängt ihn wie eine Wolke, schaut ihm
über die Schulter, aber er berührt ihn nicht.“
    Eliza verstummte. Valeriu schien von
einer immensen inneren Anspannung ergriffen zu sein und sie fragte sich, was an
dem zweifellos eindrucksvollen Gemälde oder gar an ihren Ausführungen ihn
derart ergriffen haben mochte.
    Atemlos brachte er hervor: „Bitte
sprechen Sie weiter. Erzählen Sie mir mehr.“
    Zögernd setzte sie erneut an und musste
erst wieder in den richtigen Tritt finden, denn seine emotionale Reaktion
überraschte sie über alle Maßen.
     „Statt des Blicks in den Spiegel
könnte man auch einen meditierenden Blick nach Innen vermuten. Schiele erblickt
sein geisterhaftes Double vielleicht nicht real hinter dem eigenen
Spiegelbild stehend, sondern in sich selbst. Er stellt sich in die Tradition
des Priester- und Seherkünstlers, wozu passt, dass er dieses mönchshafte
schwarze Priestergewand trägt und sich mit kahlrasiertem Schädel präsentiert.
Die markante Geste der übergroßen Hand ist die einzige gestische Übertreibung
in diesem Bild. Überdeutlich bilden die beiden Arme ein lateinisches Kreuz.
Zunächst ist dies ein Symbol für das Christentum im Allgemeinen und für den
Opfertod Jesu im Besonderen. Im Zuge der Deutung dieser Selbstdarstellung als
Priester- oder Seherkünstler würde man hierin eine klerikale, segnende Geste
vermuten. Doch so erscheint diese Gebärde ganz und gar nicht. Vielmehr wirkt
sie abwehrend und Einhalt gebietend. Vor allem aber sind die verkreuzten Arme  und die zum eigenen Körper gewandte
Handfläche verschließende, abschottende Gesten des Selbstschutzes, Intimität
und Privatheit fordernd, sich selbst und nicht dritten zugewandt. Das
lateinische Kreuz lässt sich in diesem Zusammenhang vielleicht als

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