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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
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lange bei den Kunstbüchern und entdeckte schließlich einen ganzen
Regalboden, der für Künstlerbücher, Ausstellungskataloge und Bildbände zu
Leonor Fini reserviert war. Sie las alle Titel und griff dann einen übergroßen
Bildband mit dem Titel Le livre de Leonor Fini heraus, der durch einen Pappschuber geschützt wurde.
Sie nahm das schwere Buch mit an den kleinen Tisch am Kamin und entfernte
vorsichtig die Schutzhülle. Dann setzte sie sich und begann zu blättern.
Wilbert brachte ihr den Kaffee in einer Meißen-Tasse und entfachte das Feuer im
Kamin. Eliza kam sich ein bisschen wie eine echte Schlossherrin vor. Sofort
erreichte die wohlige Wärme ihre Füße und sie schaute eine Weile verträumt in
die Flammen. Dann wandte sie sich wieder dem Buch zu. Tatsächlich stellte sich
die Künstlerin als äußerst außergewöhnliche und vielseitige Frau mit
zahlreichen Talenten und schillerndem Lebenswandel dar. Sie war geprägt von
einer multikulturellen Herkunft mit italienischen, argentinischen, deutschen
und österreichischen Wurzeln. 1908 in Buenos Aires geboren, wuchs Leonor Fini
in einem großbürgerlichen, avantgardistisch-intellektuellen Triester Haushalt auf
und genoss eine früh-feministische Erziehung durch Mutter, Großmutter und
Tanten. Später ging sie als Malerin nach Mailand und von dort nach Paris und
Monaco. Sie umgab sich mit den Künstlern und Schriftstellern des Surrealismus,
ohne deren Gruppe je beizutreten. Ihr Leben teilte sie mit gleich zwei Männern,
dem ehemaligen Diplomaten und späteren Maler Stanislao Lepri und dem polnischen
Poeten und Autor Constantin Jelenski sowie zahlreichen Katzen.
    Eliza
war fasziniert von dieser beeindruckenden Frau. Der Bildband enthielt neben
ihren Werken auch zahlreiche Fotografien, die Leonor Fini von befreundeten
Fotografen von sich hatte anfertigen lassen. Sie zeigten eine äußerst
selbstbewusste, ja exzentrische Frau mit zahlreichen Facetten in unzähligen
Rollen. Ein Bild zeigte sie als androgynen Regenten im prunkvollen roten
Renaissancegewand, auf anderen erschien sie als sinnliche Priesterin
archaischer Naturkulte mit wallenden Gewändern und gigantischen Federkronen auf
dem Kopf. Wieder andere Bilder zeigten sie mit Katzen- oder Federmasken, als
ätherische Schönheit im weißen Kleid, wie aus einem Gemälde des Jugendstils
entsprungen oder als zwitterhaften Dandy in verruchten Posen im Hemd mit
schwarzen Lederhosen. Leonor Fini war eine Meisterin der Selbstinszenierung und
eine atemberaubende Schönheit. Ihr blasses, schmales, scharf geschnittenes
Gesicht war umrahmt von üppigen schwarzen Locken. Ihre dunklen Augen, die sie
mit Kajal in Katzenmanier zu verlängern pflegte, funkelten den Betrachter
unverwandt, oft ein wenig überheblich, an. Ihr Blick war stechend, kritisch,
prüfend, forschend und voller Energie. Doch das vielleicht Faszinierendste an
ihrem Antlitz war ihre Mundpartie, die aufs Verblüffendste der einer Katze
glich.
    Eliza war so sehr in das Buch vertieft, dass
sie zunächst gar nicht bemerkte, dass Valeriu den Raum betreten hatte. Erst von
einem Kuss auf die Schulter wurde sie aus ihrer Lektüre gerissen. Valeriu hatte
sich von hinten über sie gebeugt und nun stand er neben ihr.
    „Das wünschte ich mir jeden Abend. Eine
schöne Frau, meine schöne Frau, die am Herdfeuer auf mich wartet“,
begrüßte er sie mit einem atemberaubenden Lächeln auf den Lippen.
     Eliza stand auf und legte das Buch
auf den Tisch, um ihn umarmen zu können.
    „Schön, dass du da bist“, sagte sie.
Weiter kam sie nicht, denn erst jetzt stellte sie erschrocken fest, dass etwas
nicht stimmte. Valeriu sah aus, wie an jenem Abend im Museum, an dem sie sich
kennengelernt hatten. Er war schön wie eh und je, doch kleine Falten umspielten
seine Augen und seinen Mund und in seinem blonden Haar spielten silberne
Reflexe. Er war von einem Tag auf den anderen um 20 Jahre gealtert.
    Offenbar hatte er den entsetzten
Ausdruck in ihren Augen registriert und sofort verstanden, was ihr die Sprache
verschlagen hatte, denn er beeilte sich zu sagen: „Es war ein anstrengender
Tag. Ich bin völlig ausgelaugt und brauche erst einmal etwas zu trinken. Mach
es dir wieder bequem, ich bin gleich zurück.“
    Eliza sank in den Ohrensessel, wie gelähmt
starrte sie in die züngelnden Flammen des Kamins. Hatte er sich doch noch mit
der Grippe angesteckt oder konnte das warme Licht des Kaminfeuers so ungünstig
sein, dass es Falten ausleuchtete und hervortreten ließ, die

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