Somnia Crudeles - grausame Traeume Vol I
must we ever be.
And to be short, when all the world dissolves
And every creature shall be purified,
All places shall be hell that is not heaven.
(C. Marlowe, Doctor Faustus, Act One, Scene Five)
SOMNIUM TERTIUM
UMBRA PRAETERITI
SCHATTEN DER VERGANGENHEIT
I
Sejan ließ den Mann, dem er die Kehle durchgeschnitten hatte, langsam zu Boden gleiten, damit der Aufprall des Körpers keinen unnötigen Lärm verursachte. Die blutverschmierte Klinge wischte er an seinem Hosenbein ab. Dann steckte er das Messer zurück an seinen Gürtel und machte sich daran, die Leiche hinter einem der breiten Pfeiler zu verbergen. Er packte den Toten an den Füßen und schleifte ihn hinter sich her. Es war der dritte Wächter, den er aus dem Weg geräumt hatte – allesamt hervorragend ausgebildete Kämpfer. Sicher hätten sie ihm übel zugesetzt, wenn er sich nicht hinterrücks an sie herangeschlichen hätte.
Mit den nackten Füßen trat Sejan in die Blutlache und hinterließ beim Laufen immer blasser werdende rote Spuren auf den grauen Bodenfliesen. Der weitläufige Flur mit seiner hohen Decke bot kaum eine Möglichkeit, sich zu verstecken. Sejan musste sich beeilen und möglichst schnell den nächsten Pfeiler erreichen, der ihm Deckung bot. Er konnte schon Stimmen und Schritte hören, zwar noch fern, aber sie näherten sich bedrohlich und schnell.
Catos Männer waren gut organisiert. Sejan hatte nichts anderes erwartet.
Er lehnte seinen Rücken an die Wand hinter dem Pfeiler und atmete tief ein. Sein Haar verbarg er unter einem grauen Tuch, das sein Gesicht bis auf die Augen verhüllte. Seine Kleidung war ebenfalls grau und ließ ihn optisch nahezu mit der steinernen Wand verschmelzen.
Es war mehr als ein Nachteil, es war Leichtsinn, dass er sich in diesem riesigen Gebäude nicht auskannte. Der Spion, den er hierher geschickt hatte, war kaum vierundzwanzig Stunden später vor dem Tor seines Hauptquartiers aufgefunden worden; gefoltert, gebrandmarkt und in blutige Teile zerlegt. Im abgetrennten Schädel des Mannes hatte ein Messer gesteckt, nicht irgendeines. Es war Darius' Messer. Als Sejan ihn aufspürte, hatte Darius ihn damit töten wollen. Doch Darius war, wie erwartet, viel zu schwach gewesen. Der junge Messerkämpfer eignete sich nicht zum Töten, obwohl er dazu ausgebildet worden war. Trotzdem hatte Sejan ihn in seine Bande aufgenommen. Immerhin war seine Schönheit durchaus nützlich.
Cato hatte sich also an Sejans Eigentum vergriffen, und das war eine Sache, wegen der Sejan bereitwillig in die Tiefen des Hades hinabstieg, um von Pluto persönlich sein Hab und Gut zurückzufordern. Dies war jedoch nicht der wahre Grund, weshalb er hier war. Es hatte seine Entscheidung nur beschleunigt, seinen Hass geschürt.
Er presste sich noch enger an die Wand. Die Schritte und Stimmen näherten sich nicht nur von einer Seite her. Er musste unbedingt verhindern, dass sie ihn umzingelten. Doch seine Position in der Mitte des zu beiden Seiten offenen Flures war strategisch ungünstig.
Er beugte sich ein wenig vor, um an dem Pfeiler, der ihm die Sicht nahm, vorbei zu spähen. Egal für welche Richtung er sich auch entschied, er würde sich in jedem Fall der Gefahr aussetzen, seinen Verfolgern direkt in die Arme zu laufen.
Innerlich fluchte er über die Fußspuren, die er hinterlassen hatte. Sie wiesen auf sein Versteck. Ärgerlich wischte er sich die Füße mit dem Hemdsärmel ab, um die verräterischen Blutspritzer von ihnen zu entfernen. Dann rannte er an der Wand entlang, so schnell er konnte, bis zur nächsten Ecke.
Die Stimme eines Mannes hallte über den Flur: »Teilt euch auf! Umstellt die Flure zum östlichen Trakt!«
Dem Lärm nach mussten es sehr viele sein. Wie viele es waren, sah Sejan, als er atemlos einen vorsichtigen Blick um die Ecke warf. Es waren mindestens zehn Männer in dunkelroten Uniformen, Catos sogenannte Söldner; zum Kampf ausgebildete Sklaven, ehemalige Gladiatoren, in Ungnade gefallene Soldaten. Manch einer verkaufte sich sogar aus freien Stücken an Cato, um von ihm die Kampfkunst zu erlernen. Selbst für einen Kämpfer wie Sejan war jeder von ihnen ein ernst zu nehmender Gegner. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht. Sejan wusste, dass ihm nur noch eines blieb: Verhandeln.
Er ließ sein Messer stecken und trat mit erhobenen Händen direkt vor die überraschten Augen der Söldner. »Halt! Nicht schießen! Ich will verhandeln!«
Allerdings traute er seinem diplomatischen
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