Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)
den Tod gefunden haben, niemand spreche. – Da kam dann sofort heraus, daß 20 von den eigenen Leuten umgelegt wurden und die anderen fünf ja nicht von unserem Grenzschutz, sondern von«Fluchthelfern»oder solchen Leuten. – Zum Auslachen ist die Sache zu ernst.
Nartum Fr 28. Juni 1991
Morgens früh mit schlechtem Gewissen den«Spiegel»gelesen. Vertane Zeit, es stand nichts Besonderes drin. Wahr ist, daß ich offenbar krank bin -«Workaholic», wie man’s nennt.
Neues Register gemacht für«Echolot».
Nachmittags Fotos sortiert, Alben aufgenommen.
Den ganzen Tag über regnete es, erst gegen Abend schien die Sonne. Die Hunde waren irgendwie mall. Sogar unser Playboy benahm sich widernatürlich. Ich redete ihm ins Gewissen. Solange ich mit ihm rede, die Hand auf seinen Rücken gelegt, klopft er mit dem Schwanz. Das brachte mich auf die Idee, ihn«rechnen»zu lassen.«Paule, 3 plus 2?», und wenn er fünfmal geklopft hat, die Hand vom Rücken nehmen, dann hört er sofort auf zu klopfen. Das hätte auf die Landfrauen gewiß Eindruck gemacht. Sogar Renate hat es geglaubt.
Fechner hat damals an dem Robert-Darsteller Semmelrogge dauernd herumgemeckert, an der«Ulla», also an Gabriele Michel, nie. Auch Schiestl bekam bei jeder Aufnahme sein Fett weg, er beklagte sich damals bei mir.
2007: Ich kam neulich darauf zu sprechen, da sagte er:«Was? Nie! Unser Verhältnis war ausgezeichnet.»- Nach dem Tode noch loyal. Oder Angst vorm bösen Geist?
Nartum So 30. Juni 1991, schön
1893: Walter Ulbricht in Leipzig geboren
I947: Gründung der Gesellschaft für
Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF)
Ich sitze im Garten, nachdem ich ein paar Runden gedreht habe. Die Hühner um mich rum.
Gestern waren fünf Herren aus Oldenburg da, mit Frauen, hochgestellte Leute meines Jahrgangs. Als sie sich ansagten, vor einem halben Jahr, machte ich zur Bedingung, daß sie etwas gelesen haben müßten von mir. Sie hatten die«Hundstage»und«Sirius»gelesen und diskutierten wacker untereinander. Der eine machte mit hopp-hopp-hopp nach (seine Frau ist Reiterin), daß meine Prosa im Galopp-Rhythmus geschrieben sei. Er ist Augenarzt und verbreitete sich über Kaufhausbrillen, die, wie er sagte, mit Gestell und Glas gleichzeitig gepreßt werden. Adenauer und Marianne Hoppe hätten deshalb keine Brille getragen, weil sie auf einem Auge kurzsichtig, auf dem anderen weitsichtig gewesen seien.
Ein anderer bemängelte, daß Sowtschick nur per Fernglas zugesehen habe, als das Mädchen Sabine im Wald angegriffen worden sei. Das sei passiv. Wie ja überhaupt das ganze Buch sehr pessimistisch anmute. – Er fragte mich, ob ich den Nazi-Film«Reitet für Deutschland»besitze.
Sie schenkten mir«Hundstage»und«Sirius», in Weimar speziell für mich eingebunden.
Ich demonstrierte den rechnenden Hund. Sie kriegten das nicht heraus. Haben promoviert und fallen auf so einen einfachen Schwindel herein! Es funktioniert übrigens immer.«Verweigert», wie Pferde vor der Hürde es tun, hat er noch nie.
2007: Der Film«Reitet für Deutschland»war so eine kerzengerade Sache mit Willy Birgel, den heute kein Mensch mehr kennt. Damals hat er propagandistische Wirkung entfaltet, die nicht zu unterschätzen war. – Für seine letzte Rolle hat ihn Schamoni engagiert (1965). 82 ist er geworden. Was ein Leben alles so umspannt …
«Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze», dieser früher so wahre Satz gilt nicht mehr, seit in jeder Wohnung ein Fernseher steht.
Im Fernsehen: Jugoslawien, daß die USA und EG nun doch für Sloweniens und Kroatiens Unabhängigkeit sich einsetzen, mindestens aber das Geschieße unterbinden.
«Tut mir nichts! Tut mir nichts!»ruft ein Soldat.
Lieschen wurde heute gebadet, war hinterher beleidigt.
Geschichten um den Hauskauf in Berlin. Mit dem Geld hat sich’s gerade so gefügt.
Wenn’s in Jugoslawien schon so einen Krach gibt, was wird dann erst in der SU geschehen!
Einladung von Kinkel zu Gespräch in Bonn. Das hat wohl mit der FDP zu tun. Da soll er lieber mit Delius reden, der ist doch viel klüger als ich.
T: Ich hab’ vergessen, den Kindern das Lesen beizubringen. Gleich morgen werde ich damit beginnen.
Verstaue seit Tagen die 140 Gemälde aus dem Göttinger Nachlaß. Alle sagen, die taugen nichts. Einige finde ich doch ganz gut.
Es fanden sich allerhand Objekte des gefallenen Sohnes, die ich in einer kleinen Vitrine ausstellen werde.
Der Garten ist
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