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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Verdacht. Was da wohl sonst noch gewispert wird! Die werden’s schon noch mit Touristenmassen zu tun kriegen! Schon bald!
    Nach dem Mauerfall sollen 3 Mio. Menschen die neuen Bundesländer verlassen haben.
     
    Die Reaktion auf«Sirius»hält an.
     
    «Echolot»: wächst und wächst. Gestern kam das Bücherpaket aus Hamburg, es ist allerhand Lückenschließendes dabei. Aus Berlin ist die Genehmigung zur Einsicht der Krankenunterlagen gekommen. So rundet sich das Bild. Aber an die richtig schlimmen Sachen kommen wir nicht ran. Da sitzen Spezialisten, die das eines Tages auf eigene Rechnung publizieren. So ging’s mir mit den Tagebüchern von Hans Henny Jahnn. Es ist alles da, aber da sitzt einer auf der Kiste.
    Gestern habe ich ein«Schluß»-Kapitel angelegt. Die Zwischentexte, die zwischen die Wochen zu setzen sind, um Tageübergreifendes zu bieten, sind fragwürdig.
    Gestern suchte ich das Benimm-dich-Büchlein heraus, das die Marine ihren Offiziersanwärtern verordnet hat, im Jahre 1943!
    Schon jetzt ist klar, daß ich den Termin 1992 halten kann.
     
    Herburger, der merkwürdige sprachliche Ausfälle hat. Auch merkt man das touristische Recherchieren dem Buch zu sehr an. Trotzdem, ich lese es in Ermangelung von Besserem weiter. Das Indianerhafte seines Aussehens. Wenn er seine Marathongeschichten durch hat – was macht er dann?
    Dieses Laufen, ohne daß man’s eilig hat, ist mir unverständlich. Neuerdings gibt’s einen Sport, der nennt sich Triathlon, da treiben es die Menschen auf die Spitze: vier Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, Fahrrad wegschmeißen, 42 Kilometer laufen und sich dann in die Klinik einweisen lassen. Ob die Liebste in jedem Falle zuguckt?«Da isser!»? Nein – die Liebste macht mit!
     
    Bei Suhrkamp hat es Streit gegeben. Der Sohn ist nach Amerika gegangen. Der Alte hat die Berkéwicz geheiratet, über die ich mich im«Sirius»negativ ausgelassen habe.
    Eine«Chefin»zu haben kann von Vorteil sein.
     
    Im Archiv noch viel gefunden, das beim ersten Durchgang übersehen wurde. Eine sonderbare Frau, die die Seiten römisch paginiert hat. Gutsbesitzerstochter, die sich in ihrer Biographie dafür bedankt, daß die Polen ihr Schloß abgebrannt und alles kassiert haben (1985). Die backt denen noch’n Kuchen!

Nartum Di 23. Juli 1991
     
    Von Hildegard nichts, seit Freitag.
    In der Post ein Brief mit Marken vom«18. Weltgaskongreß». Anstatt daß sie Briefmarken von der Wiedervereinigung drukken!
     
    Die Familie beanstandet das Wort«foppen». So ein Wort gäb’ es doch gar nicht.
     
    Über Sonntag nahm ich mir meine alten Briefmarkenalben mal wieder vor. (Hildegard:«Das ist aber’n komisches Hobby!») Um die Lücken zu füllen, kaufe ich nur beschädigte Marken. Es kommt mir nicht auf den Wert an, sondern auf das Bild, das eine vollständige Seite im Album mir bietet. Ich denke dann: Hindenburg mit Trauerrand …, oder: Heimkehr der Saar … Und dann kommt auch schon bald eine Erinnerung an Latein- oder Mathematikarbeiten, die leider für den nächsten Tag zu erwarten waren. – Ich kannte einen Studienrat in Rostock, Schröder hieß er, der kaufte’45 von jeder neuen Briefmarke immer gleich mehrere Bogen. Da fragte man sich denn doch, was das soll. Inzwischen ist es mir klargeworden: Der Mann wollte Teile seines Vermögens retten, die Bogen also nach der Währungsreform für besseres Geld verkaufen. Leider mußte er in den Westen flüchten, seine Transaktion war vergeblich.
    Mit ausländischen Marken darf man gar nicht erst anfangen, obwohl die frühen sowjetischen Marken oder die sauberen schwedischen – auch ganz schön. Mein Vater hatte einen Briefumschlag im Schreibtisch, der wollte wohl auch im Winter seine Zigarre rauchen und dabei die Briefmarken ablösen und in sein Steckalbum stecken. Diese Kliererei mit dem Ablösen hat mir nie gefallen. -«Kiloware»…
     
    2007: Jetzt sind die«Postwertzeichen»mit irgendeiner speziellen Gummierung versehen, die sich weder mit Wasser noch mit gutem Zureden lösen läßt. – Der 50. Jahrestag der Gründung der Bundeswehr war der Post keine Sondermarke wert. Mich hat das gestört.

Nartum Mi 24. Juli 1991
     
    Die durch die Institutionen marschierten Linkssozialisten haben es erreicht, daß Aussperrungen nur noch bedingt zulässig sind. Gestreikt aber darf weiterhin werden, unbeschränkt.
     
    Die Damen sind wieder da und räumen erst mal alles auf. Ich schrieb die letzten Zeilen von M/B. Ich dachte noch: Druck es lieber

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