Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
Mund. »Hallo?«, rief er in die Finsternis. Sein Ruf wurde von Wänden zurückgeworfen und ihm wurde klar, dass man ihn in eine Höhle verschleppt hatte. Wo nur gab es einen Ausweg? Er tastete sich die Wände entlang, doch außer Stein fühlte er nichts. Aber es musste einen Ausweg geben. Nachdem er etliche Meter abgetastet hatte, stieß er auf eine Rille. Er fuhr sie entlang und fühlte einen Felsbrocken, der den Höhlenausgang blockierte. Er stemmte sich dagegen und schob mit all seiner Kraft. Doch ihn zu bewegen war unmöglich. Er brauchte eine Lichtquelle, damit er einen Schatten warf, der es ihm möglich machte, sich wie damals in der Todeskammer mit Vincent zu befreien. Doch dieses Mal hatte er keine in Bernstein eingefasste Sonne bei sich.
»Flameri! Lizkim!« Wären an der Wand Fackeln angebracht gewesen, wären sie jetzt entzündet. Doch es blieb so finster wie zuvor. Viele Möglichkeiten blieben ihm jetzt nicht mehr. Entweder, er wünschte sich mit dem Verdenkzauber an einen sicheren Ort, oder es würde ihm nun doch gelingen, einen Stein in eine Sonne zu verwandeln. Einen Versuch war es wert. Er klaubte sich einen handtellergroßen Stein und sprach den Zauber, der das gute Stück hochsteigen ließ. Als er den Stein über sich schweben fühlte, konzentrierte er sich mit ganzem Herzen auf den Sonnenzauber. »Sonatzie! Tiriquenti! Girdiline!« Erst war es ein Schimmern, der Schein flackerte an den Wänden, dann leuchtete der Stein mehr und mehr und bald erhellte eine steingroße Sonne die Höhle. Ungläubig starrte Tarabas auf seinen bis dato größten Zauber. Er hatte es tatsächlich geschafft! Für ein Freudentänzchen fehlte ihm die Zeit. Und auch wenn er sie noch Ewigkeiten lang hätte bewundern können, er musste sich beeilen, sollte es überhaupt noch möglich sein, die Abandonier zu retten. Er ziepte den Schatten von seinen Körper, warf ihn um sich und atmete im nächsten Moment die Freiheit in sich ein.
Tarabas versah seine Augen mit Drachenaugenschärfe und konnte nun sehen, wie Vincent, Birinus und alle anderen aufgereiht am Fuße des Verdammus-Passes standen. Sie blickten auf Uldins Heer, das sich zum Angriff rüstete. Viel Zeit blieb nicht mehr, bis der Hornissengeneral den Befehl geben würde. Hoffentlich hatten die Abandonier den Boden mit Elfenurin getränkt und mit Zaubersprüchen bedacht, ansonsten wäre alles umsonst, dachte Tarabas und konzentrierte sich. Mit seinem drachenaugengeschärften Blick entdeckte er auf dem Mond den Mondmann. Würde er tatsächlich den Mond in eine Sonne verwandeln, würde er damit nicht nur die Abandonier glücklich machen, er würde zugleich Mondis sehnlichsten Traum verwirklichen.
»Sonatzie! Tiriquenti! Girdiline!« Jede Silbe rief er überdeutlich aus. Doch der Mond blieb, wie er war. Er wiederholte den Spruch, immer und immer wieder. Ohne Erfolg.
Tarabas ließ die Schultern hängen, im sicheren Gefühl, dass er versagt hatte. Er murmelte ein letztes Mal den Spruch ohne jegliche Hoffnung, dann verstummte er. Selbst die zweite Möglichkeit war nicht mehr realisierbar. Die Fackeln entflammen und mit den Abandoniern auf dem Hügel und hinter dem ins Leere stürmenden Heer landen – denn dafür war er zu weit entfernt.
Ein Stein lag zu seinen Füßen. Er schickte ihn in die Höhe. Zumindest konnte er auch diesen erneut in eine Sonne verwandeln. Sollte ein Abandonier oder einer aus Uldins Heer in seine Richtung blicken, hätte diese Sonne nicht einmal die Leuchtkraft eines Glühwürmchens. Doch wenigstens leuchtete sie Tarabas den Weg zur Höhle. Er tat einen Schritt in jene Richtung, mit dem Gedanken, dass er in Samata diesen Zauber wiederholen könnte und dafür entsprechend bewundert werden würde. Hier gab es nichts mehr, was ihn hielt. Die Abandonier waren verloren, Vincent war verloren, Tarabas konnte nichts mehr für sie tun, nur noch etwas für sich selbst. Er tat noch einen Schritt, doch es fiel ihm schwer, nach Samata zu gehen, obwohl er Fumè und den anderen Glatzköpflern beweisen wollte, dass er zu so großer Zauberei fähig war. Er hatte etwas vollbracht, was nur Wenigen bislang gelungen war: einen Stein in eine Sonne zu verwandeln. Noch ein Schritt und doch wusste er, dass es der letzte war, der ihn zur Höhle führen sollte.
Seite an Seite, bis in den Tod. Das hatten sich er und Vincent geschworen. Selbst die Sache mit Rodelinda war kein Grund, Vincent sich selbst zu überlassen, zumal er ohnehin kein Anrecht auf sie hatte. Seite an Seite,
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