Sonderauftrag
Ausgabedatum. Es handelte sich um eine Wanderkarte von 1928.
»Schauen Sie«, der Bürgermeister setzte sich eine Lesebrille auf, »hier das Schloss«, sein Finger tippte auf die Karte, »dort Kronenvitz, wo wir, wie Sie sich selbst überzeugen konnten, kräftig am Bauen sind, und hier Altendorf und dort Neuenhagen. Diese vier Dörfer bilden unsere Gemeinde.« Stolz schwang in seiner Stimme mit. Die Orte bildeten die Endpunkte eines imaginären Kreuzes.
»Schön, danke für die Übersicht.« Kröger nickte dem Bürgermeister zu. Dieser faltete die Karte vorsichtig wieder zusammen.
»Du hast die Namen der Bewohner notiert, die uns weitere Auskünfte geben könnten?« Kröger schaute zu Vollert. Der nickte und wandte sich an das Ehepaar.
»Haben Sie die eine oder andere Anschrift?«
»Klar, da können wir helfen, nicht wahr, Hilde?« Hausmann schaute schmunzelnd zu seiner Frau, die den ironischen Unterton nicht bemerkte oder absichtlich überhörte.
»Natürlich können wir das. Wir wissen über alles Bescheid, was in der Gemeinde passiert.« Sie betonte das ›Wir‹.
Einen Augenblick später hatte Vollert alle Anschriften aufgeschrieben, nur eine Adresse fehlte. In entschuldigendem Tonfall ergänzte die Frau des Bürgermeisters: »Leider kann ich Ihnen nicht sagen, wo genau der alte Fenske jetzt wohnt. Ich weiß nur, dass er nach seiner Tochter in Stralsund gezogen ist.«
» Zu seiner Tochter, Hilde!«
»Wie bitte?« Konsterniert schaute sie zu ihrem Gatten.
»Es heißt: zu seiner Tochter.« Nachsicht lag in seinem Blick und vielleicht auch die Gewissheit, dass seine Worte nicht auf fruchtbaren Boden fallen würden.
»Hab ich doch gesagt, in Stralsund wohnt er jetzt. Du immer mit deinem Besserwisserfimmel!«
Kröger und Vollert unterbrachen den Disput, indem sie sich von den beiden verabschiedeten.
Die Hitze lag wie eine Bleiglocke über der Landschaft. Die Alleebäume ließen erschlafft die Zweige hängen. Als die beiden Kriminalbeamten an einer Koppel vorbeifuhren, spähte ihnen neugierig ein Bussard nach, der auf einem Hinweisschild saß.
6
Im Büro erwartete sie eine Überraschung.
Aufgeregt rief die Sekretärin ihres Vorgesetzten an. »Mein Gott, Herr Kröger, wo stecken Sie nur?« Kröger sah in Gedanken Frau Berner an ihrem Schreibtisch sitzen und vorwurfsvoll den Kopf schütteln. »Kriminalrat Södermann verlangt nach Ihnen und Ihrem Kollegen.«
»Wir kommen!«
»Aber bitte gleich. Es muss sehr wichtig sein.«
»Hat er gesagt, was es so Dringendes gibt?«
»Nein, Herr Kröger, hat er nicht, aber beeilen Sie sich. Es …«
Kröger vernahm ein Rascheln und dann die Stimme seines Vorgesetzten. »Gut, dass Sie da sind, Herr Kröger. Wir treffen uns in fünf Minuten bei der Spusi. Bringen Sie Kollegen Vollert auch mit. Ich sag Ihnen, ein dolles Ding.« Er legte auf. Nachdenklich starrte Kröger auf den Telefonhörer, bevor auch er auflegte. Södermanns Stimme hatte aufgeregt geklungen.
»Mmh, wir sollen in fünf Minuten bei der Spusi sein.«
»Haben die schon ein Ergebnis?« Überrascht blickte Vollert zu seinem Kollegen.
»Keine Ahnung. Södermann hat nichts verraten, aber es muss ja wohl so sein. Was sollten wir sonst dort.«
Wenige Minuten später meldeten sie sich bei den Kollegen der Spurensicherung. Kriminalrat Södermann und Dr. Brauner standen um einen Tisch, auf dem etliche Kostbarkeiten der letzten Jahrhunderte lagen. Kröger und Vollert entdeckten goldene Pokale, reich verziert und besetzt mit Edelsteinen. Gold- und Silbermünzen schimmerten wie auch eine Thorarolle mit silbernem Griff an jedem Ende. Kleine goldene Tintenfässer standen neben filigranen silbernen Kassetten. Die Augen vermochten die edlen Glanzstücke gar nicht auf einmal zu erfassen. Es sah aus, als ob ein reicher Fürst seine Schatzkammer für sie geöffnet hätte.
»Mein Gott, welch ein Anblick!« Kröger war nahe an den Tisch herangetreten und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Auch Vollert betrachtete die seltenen Gegenstände fasziniert. Er begutachtete einen kleinen Elefanten, geschnitzt aus Elfenbein. Ganz dicht beugte er sich über das Kleinod. Wo hatte man sonst die Möglichkeit, ohne Panzerglas solche Schätze zu bewundern?
»Wo kommt das alles her?« Fragend schaute Kröger auf seinen Chef.
»Aus der Kiste, die wir im Keller entdeckten.« Dr. Brauner hatte geantwortet. »Wir haben sie vor etwa zwei Stunden geöffnet. Du kannst dir sicher unsere Verblüffung vorstellen. Wir hatten mit
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