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hier noch was Sinnvolles tue, das bleibt sich doch gleich.«
»Komm zu uns nach Hause, wenn dir die Decke auf den Kopf fällt. Oder kann es sein …«
»Was?«
»Na, du machtest heute früh so eine Andeutung von wegen: Druck wird ausgeübt.«
Kröger winkte ab. »Ach was! Ich möchte nur heute noch mit dem Cousin von Wernher von Schleyersdorf reden.«
Er stand auf und öffnete das Fenster. Straßenlärm wogte ins Zimmer. Ganz Stralsund schien im Feierabendverkehr zu stecken.
»Und du und deine Frau, ihr habt wohl heute mehr vor, als mit mir gepflegte Konversation …«
»Na hör mal!« Vollert unterbrach ihn. »Du bist immer willkommen. Sigrun hat schon nach dir gefragt.«
»Danke deiner Frau, aber wir verschieben das, bis euer Haus steht – und jetzt verschwinde. Mach Wochenende!«
»So schnell wirst du mich nicht los.« Auch Vollert war aufgestanden und zum Fenster getreten. »Du bist mir noch eine Erklärung schuldig, was den Druck betrifft.«
Kröger informierte ihn mit knappen Worten über sein Gespräch mit der Staatsanwältin. Zehn Minuten später war er allein und widmete sich Vollerts Aufstellung. Er machte sich einige Notizen. Eine offene Frage blieb: Bei welcher Einheit hatte Wernher von Schleyersdorf gedient?
Er glaubte nicht, eine Erklärung dafür zu finden, was in den letzten Kriegstagen passiert war, aber er wollte so viel wie möglich aufklären. Und dazu brauchte er mehr Informationen über diese Sondereinheit z.B.V.
Aufmerksam ging er die Aufstellung der Kunstwerke durch. Was würde mit diesen nach Abschluss der Ermittlungen passieren? Waren woanders Stücke aus der Sammlung Rosenbaum aufgetaucht? Wo waren die Kostbarkeiten geblieben, die Gauleiter Koch geraubt hatte?
Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Es war der Cousin von Wernher von Schleyersdorf. Mit angenehmer, sonorer Stimme begrüßte er Kröger, so, als würden sie sich schon lange kennen. Der Kriminalist informierte ihn über den Stand der Ermittlungen. Die gefundenen Kunstwerke erwähnte er aber mit keinem Wort. Nachdem er vom Fund des Skeletts berichtet hatte, herrschte einen Augenblick Stille.
Auf Krögers Frage nach der Einheit, in der Wernher von Schleyersdorf gedient hatte, wusste der Architekt keine Antwort. Er versprach aber, in alten Familiendokumenten nachzusehen, ob dort diesbezüglich etwas vermerkt war. Sie vereinbarten, sich Ende der nächsten Woche in Stralsund zu treffen. Herr von Schleyersdorf wollte vor seinem Urlaub in Schweden alles für die Bestattung arrangieren. Ein Treffen mit Kröger bereitete ihm nach eigener Aussage keine Umstände.
Schweden, dachte Kröger, nachdem er aufgelegt hatte. Als er ausatmete, klang es wie ein Seufzen. Morgen Mittag würde er seine Frau wieder in den Armen halten. Er schaute auf die Uhr. Es war kurz nach halb sechs. Er schlug die Akte zu, verschloss den Panzerschrank und machte sich auf den Heimweg.
18 Stunden später stand er am Busbahnhof, in der Hand einen Strauß Gerbera. Langsam ging er die Haltestelle auf und ab. Jedes Mal, wenn er eine Runde geschafft hatte, schaute er in die Richtung, aus der der Bus kommen musste. Die Minuten krochen dahin. Mit über einer Stunde Verspätung traf der Bus schließlich ein.
Innerhalb von Sekunden war Kröger von einer lärmenden Schar junger Menschen umringt. Wo soeben noch das Schilpen der Spatzen zu vernehmen war, hallten nun jugendliche Stimmen über den Platz. Kröger drückte die Blumen fester an sich, nur kein Kollateralschaden in den letzten Sekunden. Dann sah er sie. Auf der letzten Stufe des Ausstiegs stehend, schaute sie sich um. Als ihre Blicke sich kreuzten, trat ein Lächeln in ihr Gesicht.
Er schob sich durch die Jugendlichen, hob seine Frau hoch und stellte sie vor sich auf die Straße. Wortlos küsste er sie.
Die plötzliche Stille und das danach einsetzende Gejohle irritierten ihn. Seine Frau an den Händen haltend, schaute er sich um. Um sie herum standen ihre Schüler und klatschten Beifall. Eine leichte Röte überzog ihr Gesicht, dann rief sie in die Runde: »So, meine Herrschaften, die Show ist vorbei. Wenn ich jedes Mal Beifall geklatscht hätte, wenn ihr in der vergangenen Woche geknutscht habt, dann hätte ich heute wunde Hände.«
Kröger traf ein kurzer Knuff in die Rippen und ein geflüstertes »Kannst du nicht bis zu Hause warten?«, dann reichte der Busfahrer die Taschen und Koffer heraus und die Menge zerstreute sich.
Die Fahrt nach Hause verlief zügig. Die meisten
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