Sonea - Die Heilerin: Roman
erstaunt mich, dass es nicht offensichtlicher ist.«
»Ich habe nur wenige Berichte von Leuten gehört, die eine Abneigung gegen dich persönlich gefasst haben, aber viele Menschen mögen dich aus Prinzip nicht.«
Er sah sie an. »Wegen meines Vaters.«
»Ja – und wegen Rivas Tod.« Sie war jetzt ernst, und die Runzeln auf ihrer Stirn vertieften sich. »Du solltest wissen, dass ich dich nicht für das verantwortlich mache, was dein Vater getan hat. Es ist lächerlich zu denken, ein Kind trage die Verantwortung für die Taten seiner Eltern.«
»Ich … ich bin froh, dass du so empfindest.«
Sie beugte sich vor und tätschelte ihm das Knie. »Ich bin überzeugt, dass du darüber froh bist. Anderenfalls wärst du wahrscheinlich tot.« In ihre Stimme und ihre Augen hatte sich wieder Humor eingeschlichen, und er lächelte.
»Ich hege auch keinen Groll mehr gegen deinen Vater«, fuhr sie fort, wandte den Blick ab und wurde wieder ernst. Ernst und traurig. »Obwohl ich eine Tochter verloren habe, die hätte geheilt werden können. Wir sind die Dinge falsch angegangen. Etwas an deinem Vater hatte mich davon überzeugt, dass er ein Ehrenmann sei. Ich dachte, ich hätte mich geirrt, habe dann aber eingesehen, dass ich mich vielleicht nicht geirrt habe, dass ich damals einfach nicht verstanden habe, dass es etwas gab, dem gegenüber er eine größere Loyalität empfand.«
»Die Gilde? Kyralia?«, fragte Lorkin.
Sie sah ihn an. »Du wusstest nichts von dem Handel, den er geschlossen hatte, nicht wahr?«, fragte sie leise.
Er schüttelte den Kopf. »Ich war entsetzt zu erfahren, dass er eine solche Vereinbarung getroffen und sie nicht eingehalten hat.«
»Er starb vor deiner Geburt. Er hatte also nie die Gelegenheit, es dir zu erzählen.«
»Und meine Mutter hat nie davon gesprochen. Sie kann es nicht gewusst haben.«
»Warum bist du dir da so sicher?«
»Sie war entschlossen, mich daran zu hindern, nach Sachaka zu gehen. Wenn sie einen Beweis gehabt hätte, dass mir von den Verräterinnen Gefahr drohte, hätte sie ihn benutzt.«
»Vermisst du sie?«
Ihr Blick war sehr direkt. Er nickte. »Und doch will ein Teil von mir … ein Teil von mir …«
»Dein eigenes Leben leben? Deine eigenen Entscheidungen treffen?«
Er nickte.
Sie deutete mit der Hand auf den Raum oder etwas, das dahinter lag. »Und jetzt bist du hier und sitzt im Sanktuarium fest.«
»Es ist ein angenehmer Ort, um festzusitzen.«
Sie lächelte anerkennend. »Ich hoffe, dass du auch in Zukunft so denken wirst.« Ihr Lächeln verschwand wieder. »Denn das Leben hier wird vielleicht nicht immer so angenehm für dich sein. Ich bin alt. Ich kann mir nicht sicher sein, wer meine Nachfolge antreten wird. Alle wissen, dass Savara die Sprecherin ist, die ich gern als nächste Königin sehen würde, und sie mag dich, aber das bedeutet nicht, dass die Menschen für sie stimmen werden. Sie werden es gewiss nicht tun, wenn sie in Zukunft meine Entscheidungen infrage stellen.« Sie zeigte auf ihn. »Wie die Entscheidung, einen kyralischen Magier ins Sanktuarium zu lassen, der sich dann als allzu neugierig entpuppt.«
Ihre Augen waren hart, und es stand ein kaum merklicher Ausdruck der Anklage darin. Er spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg, und wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
»Aber sie werden vielleicht damit zufrieden sein, dass ich dich einbestellt habe, um dir ordentlich den Kopf zu waschen. Savara hat entschieden, dass es das Beste sei, Tyvara zu verbieten, sich mit dir sehen zu lassen, damit völlig klar ist, dass sie deine Erkundung der Höhlen missbilligt.«
Lorkins Mut sank. Aber wir haben uns ja ohnehin nicht gesehen, rief er sich ins Gedächtnis.
Zarala lächelte und tätschelte ihm abermals das Knie. »Ich habe noch einen freundschaftlichen, kostenlosen Rat für dich, Lorkin. Sei vorsichtig, wie viel Unruhe du stiftest. Du könntest dir und anderen damit viel mehr Ärger einhandeln, als du jetzt begreifst.«
Er nickte. »Vielen Dank. Ich werde deinen Rat beherzigen. Und keine Unruhe stiften.«
Sie wirkte erfreut. »Du bist ein kluger junger Mann. Bitte schön – jetzt habe ich dir meinerseits geschmeichelt. Möchtest du etwas zu essen?« Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern drehte sich zu der Tür, hinter der Pelaya verschwunden war.
»Pelaya? Haben wir etwas zu essen für unseren Besucher?«
»Natürlich«, antwortete die junge Frau. Sie erschien mit einem schlichten Holztablett mit Gläsern, Wasser und
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