Sonea - Die Heilerin: Roman
eine gewisse Zeit dachte sie darüber nach, dann fiel ihr Naki wieder ein, und sie zog ihr Bewusstsein aus sich selbst heraus.
»Das ist … erstaunlich«, hauchte sie.
Naki lächelte. »Du hast es geschafft? Ich wusste, dass du es schaffen würdest. Du bist einfach zu klug.« Sie stand auf, kam näher, stützte sich auf die Armlehne des Sessels und drehte Lilias Hände so, dass sie das Buch lesen konnte. »Lass uns etwas anderes versuchen. Mal sehen, ob du meine Magie spüren kannst.«
»Aber … du müsstest dich schneiden, damit ich das tun könnte.«
Naki beugte sich näher zu Lilia heran. Ihr Atem roch nach Feuel. Sie verzog einladend die Lippen. »Das werde ich für dich tun. Ich würde alles für dich tun.«
Lilia sah ihre Freundin an und spürte, wie ihr Herz warm wurde und sich ausdehnte. »Ich würde auch alles für dich tun«, erwiderte sie aufrichtig.
Nakis Lächeln wurde breit vor Entzücken. »Nun, lass es uns tun«, sagte sie. Sie blickte sich suchend um, dann tänzelte sie zu dem Tisch mit der gläsernen Oberfläche und griff abermals hinein. Was immer sie herausgeholt hatte, war klein und in ihrer Hand verborgen. »Es ist alt, also weiß ich nicht, ob es scharf genug ist … au! Ja, das hat funktioniert.«
Naki hockte sich wieder auf die Sessellehne und streckte die Hand aus. Ein winziges Messer lag darin, und eine kleine, rote Linie, aus der Blutstropfen sickerten, verunzierte ihre Haut. Lilia befiel ein Frösteln, das drohte die Wirkung des Feuels endgültig aus ihrem Kopf zu vertreiben.
»Nur zu. Bevor die Wunde wieder verheilt.«
Ich würde alles für dich tun. Widerstrebend nahm Lilia das Messer in eine Hand und umfasste Nakis Hand mit der anderen. Sie schloss die Augen.
Es war nicht schwer, zu dem neuen Bewusstsein ihrer Magie zurückzufinden. Irgendwie wusste sie, wohin sie ihren Geist senden musste, um ihre Hand zu finden. Und dann spürte sie es. Die Präsenz von etwas anderem war schwach … außer an dieser Stelle . Der Schnitt fühlte sich wie ein Lichtblitz in ihrem Geist an. Er zog sie an wie das Versprechen auf Sonnenlicht am Ende eines Tunnels. Als sie ihn erreichte … Naki.
Das andere Mädchen verströmte eine vertraute rastlose Erregung und Neugier, mit einem Unterton von Ärger – alt und auf jemand anderen gerichtet, also galt er höchstwahrscheinlich ihrem Vater.
– Nimm etwas von meiner Macht, erklang Nakis Stimme am Rand von Lilias Wahrnehmung.
Ein Blitz aus Magie sprang durch die Bresche in Nakis Barriere. Sofort verstand Lilia, wie einfach es sein würde, durch die Bresche zu greifen und diese Energie in sich selbst hineinzuziehen. Aber sie wollte es nicht tun und brauchte es auch nicht zu tun. Also zog sie sich aus Nakis Präsenz zurück und öffnete die Augen.
»Ich denke, es hat funktioniert. Nur dass … es ist zu einfach.« Sie runzelte die Stirn. »Ich kann es unmöglich richtig machen.«
Ein Finger zeichnete ein träges Muster auf ihren Arm und ihre Hand. Sie schaute hinab und blickte dann zu Naki auf. In den Augen des Mädchens brannte eifrige Erwartung. »Lass mich es versuchen.« Sie bedachte Lilia mit einem vielsagenden Blick. »Wir machen das zusammen.«
Eine Welle der Zuneigung stieg in Lilia auf. Sie ergriff das kleine Messer, biss die Zähne zusammen und fuhr sich dann damit über die Rückseite ihres Arms. Naki strahlte sie an, dann berührte sie sanft die Schnittwunde. Als sie die Augen schloss, tat Lilia das Gleiche und fragte sich, wie es sich anfühlen würde, diejenige zu sein, deren Barriere durchbrochen wurde.
Diesmal stellte sich ihr Bewusstsein sofort auf die neue Aufgabe ein. Die Bresche in ihrer natürlichen Barriere war leicht aufzuspüren; sie weckte ein Gefühl von Dringlichkeit, das sie verärgerte. Plötzlich spürte sie wieder Nakis Präsenz, aber diesmal nahm sie nichts von ihren Gefühlen wahr.
Eine seltsame Schwäche, wie die Losgelöstheit von aller Willenskraft, die Feuel mit sich brachte, überkam sie, und sie spürte, wie Energie aus ihr herausfloss.
Doch so schnell es begonnen hatte, hörte es wieder auf. Naki ließ ihren Arm los, und Lilia zog ihr Bewusstsein zurück in die körperliche Welt. Ihre Freundin runzelte kopfschüttelnd die Stirn.
»Ich glaube nicht, dass es funktioniert hat.«
»Nein?«, fragte Lilia überrascht. »Ich bin mir sicher, dass ich gespürt habe, wie du Macht von mir genommen hast.«
Naki schüttelte abermals den Kopf. Sie verzog die Lippen zu einem Schmollmund, ging zu ihrem Sessel
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